Prolog
Man möchte meinen, ja allzu hoffnungsvoll glauben, dass sich eine Beziehung zwischen zwei Menschen, wenn sie sich denn zum Glück beider Beteiligten ergibt, gleich eines geschlossenen Vertrages für eine gewisse Dauer unter Garantie aufrecht erhalten lässt, unabhängig von gewissen Launen der Natur und des Schicksals.
Dies mag ein gar fataler Trugschluss sein, genauso wie die Liebe als ganzes ja seit jeher von den pragmatischen Geistern angezweifelt wird, und doch ist unsere ganze fehlbare menschliche Sehnsucht auf dieses schicksalhafte Konstrukt einer scheinbaren Dauerhaftigkeit ausgerichtet, so dass zwangsläufig bittere Enttäuschung für diejenigen folgen muss, die nicht das seltene Glück haben, durch Zufall Teil einer solchen Beziehung zu sein, welche die Jahre überdauert.
Vernehmen wir nun die Geschichte zweier beispielhafter Personen, welche, hin- und hergeworfen von jenem nämlichen Dilemma, sich finden und notgedrungen wieder loslassen müssen, was nicht ihre Schuld und schon gar nicht Folge ihres Vergehens sein soll, sondern vielmehr dazu dient, dass sich der werte Leser seinen Teil dazu denke und nach einer Weile des Sinnierens ein Urteil über die Liebe und ihre Tücken für sich sprechen möge.
I.
Das Dorf, eine Häuserreihe hinter dem Ortschild die Hauptstraße zu beiden Seiten entlang. In der Dunkelheit, ins blaue Licht der Morgendämmerung getaucht, wirkten sie wie ungenaue Strukturen, ungenau gemeißelte Steinfiguren, in deren Tunnel sich David befand. Irgendwann, er begann in seinen dünnen, atmungsaktiven Wanderklamotten zu frieren, wies ihn ein Schild an, die breite, im Minutentakt von zu schnell fahrenden Autos befahrene Straße, deren Bürgersteig er wanderte, zu verlassen und einer privatimen, kleineren Straße zu folgen.
II.
Bald befand er sich in einem Wald. Der Asphalt hatte sich zu grobem Schotter gewandelt. Ein Fahrverbotschild. Wasserrauschen in der Ferne, ungenau zwischen den Baumstämmen. David spürte Nässe und Nebel, der aus einer jäh aufklaffenden Schlucht an der Seite der Forststraße auftauchte, die eine lange Kurve schlug und zugleich steil bergauf führte. David ging und wich dabei den verzweigten Rinnen aus, die das Regenwasser in die Straße gegraben hatte.
Mit dem ersten Sonnenstrahl verflog die Klammheit und eine anfangs noch angenehme, dann mehr und mehr stickige Wärme verfing sich im Gestrüpp und staute sich auf der breiten, allmählich aber stetig aufsteigenden Straße
Immer weiter hinauf, seinen Mont Ventoux besteigend gelangte David auf die Höhe der ersten Panoramen, die Landschaft breitete sich unter ihm in einer lächerlich scheinenden Übersichtlichkeit aus und ein unangenehmer Wind, kaum wahrnehmbar aber durch Mark und Bein fahrend, schlug ihn in das sich von der inneren Hitze rötende Gesicht.
Dann kam er an eine Abzweigung.
„Holzganterplatz“, hatte seine Freundin diesen Ort genannt. Baumstämme verschiedener Verwitterungszustände stapelten sich in einem lichtscheuen Kessel, von dem ein steiler Trampelpfad in den über ihm starrenden Hochwald führte.
III.
Erschöpfung, Unsicherheit, Zweifel überfielen ihn bald, beim steilen Wechsel in den unausgesetzten Serpentinen über Stock und Stein, über Felsen und umgestürzten Baumstämmen über die triefendes Moos wucherte, hier musste doch eine der grob auf Steine und Stämme gespritzten Wegmarkierung sein, doch seine Augen konnten nichts finden, auf diesem Hang. Das dröhnende Geräusch eines langsam dahinfliegenden Flugzeug über ihm. Durchsetzt von verspieltem Vogelgezwitscher, Rabenkrächzen, dem dumpfen Hämmern des Spechtschnabels; der Klang der Natur untermalte in seiner unerschütterlichen Ruhe fast zynisch sein Verirren, seine mehr und mehr gehetzte Ziellosigkeit.
Ein abgebrochener oder noch aus eiszeitlicher Vergangenheit dort von längst vergangenen Kräften abgestellter Felsblock von der Größe eines Einfamilienhauses tat sich plötzlich in dem flacher und breiter werdenden Tobel auf und versperrte dem Reisenden den Weg. Wie ein wildes Raubtier warf er sich drohend dem Verzweifelten entgegen.
„Wie weit bin ich wohl noch entfernt vom Ziel? In der Mitte des Weges plötzlich gestoppt. Sollte er umkehren, sollte er seinen eigenen Weg durch das Gelände finden? Ein Blick nach oben: Droben standen die höheren Hänge in der vollen Blüte des Sonnenlichts, die Reflektion des gleißenden Lichts blendete David fast. Damn it!
Mit einem Mal, da ward der gleichmäßige Geräuschekatalog des Waldes durchbrochen vom Knacken, Poltern und Schliefen eines Menschen. Langsam näher, offenbar kam hinter ihm ein anderer Wanderer. David wandte sich um.
…
IV.
Es war Maria, seine Freundin. Das konnte doch nicht sein. Fahles Licht hinter ihr. Der typische Gang. Andere Klamotten zugegebenermaßen, aber die Umstände, hier draußen, natürlich. Fast war er versucht der Schönen entgegenzulaufen, der Verehrten mit tränenverblendeten Gesicht um den Hals zu fallen, aber er blieb stehen und beäugte das Auftauchen der Gnädigen gleich einer Erscheinung.
Dann sah sie ihn. Ihr Blick seltsam gleichgültig. Als würde sie ihn nicht kennen. Als würde dieser Augeblick, durch welchen verqueren Zufall auch immer ermöglicht ihr völlig gleichgültig sein. Der Errettete, David, jedenfalls beschloss jetzt, endgültig stehen zu bleiben, die Ankunft schicksalsergeben zu erwarten.
Es dauerte noch eine quälend langsam vergehende Weile, dann standen sich der Gemarterte und die hoffungsvolle Wanderin Aug um Aug gegenüber.
„Maria“, krächzte dieser ihren Namen.
Sie zuckte. Verzog ihren Mund zu einem schiefen, halb peinlich berührten, halb verächtlichem Grienen.
„Nein,“ sagte sie nur und hob die Hand abweisend, „da liegst du falsch. Das ist das Problem bei Zwillingen, ständig verwechselt man sie.“
„Aber …“
„Du bist der David, oder? Auch auf dem Weg nach oben, zur Hütte?“
David nickte sichtlich disturbiert. Er öffnete seinen Mund, um etwas zu sagen, sich zu rechtfertigen, seine Lage zu erklären, doch sein Gegenüber feixte und sagte wissend: „Ja, ja, die Maria und ihre Wegbeschreibungen. Ich bin übrigens Teresa!“
Natürlich, die Zwillingsschwester. David kam sich dumm vor. Aber was blieb ihm übrig. In seiner Hilflosigkeit, in seiner Unkenntnis dieser fremden Welt, bat er Teresas um Hilfe, um Geleit zur Hütte.
Sie lächelte nur. „Na, dann, David. Packen wir’s an!“
Sie bogen links in einen Berghang, Farn wuchs hier reichlich, und das Laub schmatzte unter ihren Wanderschuhen.
V.
Plötzlich schlingerte der kaum sichtbare Pfad, dem sie folgten nach unten. Wieder Wasserrauschen. Ein weiteres Tal. Mehr noch. Ein See, eine trübe Wasserfläche in dem der fahle Pfad jäh endete.
„Nun,“ sagte Theresa, „es ist halt ein bisschen jahreszeitenabhängig, heuer bin ich noch klein einziges Mal durchgekommen, aber die letzten 14 Tage waren sehr warm. Es dürfte uns heute bis an die Brust gehen, das Wasser. Man unterschätzt immer, wie sich der Niederschlag hier oben staut.“
Das Wesen der Abkürzung besteht aus einer verminderten Wegstrecke, ihr logisches Ergebnis: Zeitersparnis.
VI.
Der See. Sein Spiegel ist schwärzlich. Sein Wasser riecht dumpf.
Zwischen den zinnsoldatesk gen Horizont strammstehenden Schilfhalmen schwirrten blaue Libellen.
„Da müssen wir jetzt durch“, sagte Theresa und es klang wie ein Befehl.
Eine einsame Ringelnatter schlängelte sich über die Wasseroberfläche. Die Bewegungen ihres glatten schwarzen Körpers zeichneten feine Wellen auf die spiegelglatte Oberfläche.
Teresa schlüpfte aus ihrem Oberteil und präsentierte David ihren Sport-Bustier. Die Haut ihres Oberkörpers glänzte schweißnass. Eine Bewegung später hatte sie ihre dünnen Leggins über die Beine und Wanderschuhe gestreift und sah David erwartungsvoll an.
Dieser brachte unter dem Eindruck des spärlich bekleideten Körpers vor ihm nur undeutliche Laute des Erstaunens heraus.
Diese Reaktion ihres Gegenübers schien das sportliche Mädchen sichtlich zu irritieren, ihre rechte Augenbraue stark nach oben gezogen, so dass sie für einen Moment unter den tropfenden Strähnen des verschwitzten Ponies verschwand, deutete sie auf das Ziffernblatt einer imaginären Uhr um ihr linkes Handgelenk und sagte ohne hörbare Ironie: „Beeilung. Wir kommen sonst nie bis Mittag oben an.“
So blieb David nichts anderes übrig, als widerstrebend seine Zip-Hose und Kunstfaser-Hemd samt Unterhemd abzulegen und in Boxer-Shorts Teresa durch das Wasser zu folgen. Es war wärmer als gedacht. Seine Füße traten auf den glitschigen algigen Untergrund. Teresa vor ihm war schon fast am anderen Ende angelangt, ihr Oberkörper ragte schon wieder aus dem Wasser, als er plötzlich ins Leere trat und wie ein Stein in das gurgelnde fade Nass gesogen wurde.
Da plötzlich griff etwas nach ihm und zog ihn mit unmenschlich scheinender Kraft nach oben. Ehe er sich versah war er am anderen Ufer angekommen.
„Danke!“, keuchte er glücklich. Teresa sah ihn an, was ein jämmerliches Bild musste er abgeben, genau jetzt. Doch da war etwas in ihren Augen.
David empfand diesen Moment fast als tragikomisch. Wie eingefroren sahen sich ihre Gesichter gegenüber, er leicht nach unten gebeugt, sie leicht nach oben gereckt, kaum eine Handbreit auseinander, so dass man glaubte die Gefühle des jeweils anderen wahrnehmen zu können. Dann, wie auf ein intrinsisches Signal hin, bewegten sich ihre Lippen aufeinander zu, um wie in einem Crash-Test in geglaubter Zeitlupe aneinander gestaucht zu werden, doch schon im Moment des Aufpralls öffneten sich ihre Münder, den gegenseitigen Geschmack von schweißigen Salz und dumpfem Kälte kostend, und schickten ihre Zungen gegeneinander, wie Krieger verbunden in einen Ringkampf, der mehr einer ausgeklügelten Choreographie glich, denn einem echten Kampf.
Seine Hände, von Entdeckerdrang beseelt wanderten Teresa Körper entlang, ihre weichen Brüste als erstes Wagnis kühn nehmend, steuerten sie schließlich unter ihren Slip und ertasteten die bekannte Oberfläche des weiblichen Geschlechts. Teresa atmete flach, ihre Münder noch immer in intimer Nachbarschaft, die jeweiligen Regungen schmeckend, riechend, spürend, signalisierte sie David ihre Bereitschaft für mehr.
Mit einem Ruck zog er den störenden Stoff nach unten. Auch Teresa, die seine Aufforderung bang erwartet hatte zog wiederum seine Unterbekleidung aus. Sie lagen nun aufeinander, rieben ihre entblößten Unterleiber aneinander, und begehrten doch nach mehr.
Noch einmal empfing Teresa seinen süßen Kuss und es war wie ein kaum wahrnehmbares, gehauchtes Einverständnis.
Er bewegte sich und führte seine Männlichkeit an ihre Pforte, wo sie sanft um Einlass bat.
„Ja!“, sagte Tereas nur und David wurde forscher. Er steckte nun mit voller Länge in ihr und begann sie so langsam und so zärtlich und behutsam wie es auf dem harten Bergwiesenboden möglich war zu ficken. Sie atmete schwer unter den Stößen und genoss sichtlich die Vereinigung ihrer Körper. David war zärtlich, erinnerte Teresa ihn an ihre Schwester, mischte sich doch auch die Aufregung über das Neue in seine Lust, die ihn nach kurzer Zeit dazu brachte, sich in seiner Partnerin zu ergießen.
Vor ihm lag Teresa. Ein Ebenbild seiner Freundin. Zwischen ihren Beinen sein Samen. Was hatte er getan. Langsam klang der Rausch der Lust ab und unter ihn mischte sich die bittere Erkenntnis, dass er seine Freundin betrogen hatte.
–
VII.
Da lagen sie nun. Nackt und eng umschlungen zu fortgesetzter Mittagsstunde im Gras, dass die satten Strahlen der Mittagsonne wie sie genoss.
„Wie sollen wir es Maria sagen?“, sagte David und erntete einen entsetzten Blick von Teresa.
„Wir sagen gar nichts!“, entgegnete sie und küsste ihn ein letztes Mal.
Am späten Nachmittag kamen sie schließlich an der Hütte an.