Der Pakt mit dem Teufel
Es handelt sich hier um eine frei erfundene Geschichte, die in einen historischen Kontext eingebettet wurde. Sie erhebt aber keinen Anspruch darauf, historisch korrekt zu sein. Da aus dieser Zeit und von der Welt der Hunnen nicht sehr viel überliefert ist, lässt dies viel Raum für die Fantasie. Genau das hat mich gereizt. Der geneigte Leser möge mir allerdings das Ende verzeihen, das habe nicht ich, das hat die Geschichte geschrieben.
*
Kapitel 1
„Wir werden kapitulieren. Ich sehe keinen anderen Ausweg. Wir haben nicht die geringste Chance und machen die Situation nur noch schlimmer“, erklärt mein Vater sehr niedergeschlagen der Familie und den engsten Vertrauten und Mitarbeitern, die er im großen Saal des Bürgerhauses zusammengerufen hat.
„Aber Vater, du weißt, was das heißt? Das kannst du doch nicht machen!“, melde ich mich fast panisch zu Wort. „Das da draußen sind die Hunnen! Da gibt es keine Verhandlungen.“
„Was soll ich denn deiner Meinung nach noch tun? Wir sind besiegt, wir haben nicht die geringste Chance mehr, doch noch zu gewinnen. Es bleibt uns nur noch die Kapitulation, um auf diese Weise die Verluste einigermaßen in Grenzen halten. Hoffen wir, dass Attila uns halbwegs gewogen ist. Alles andere wäre purer Selbstmord“, antwortet er. Ich kann die Verzweiflung aus seiner Stimme deutlich heraushören.
„Und dafür opferst du uns?“, gebe ich energisch zurück.
„Ich kann es nicht verantworten, dass noch mehr Soldaten sinnlos sterben. Auch die Bewohner sind am Ende. Die Belagerung zeigt volle Wirkung. Wir haben keine Lebensmittel mehr und alle hungern“, erklärt er resigniert. „Da gibt es auch nichts mehr daran zu rütteln. Ich habe bereits einen Abgesandten zu Attila geschickt, um unsere Kapitulation zu überbringen. Er wird bald hier sein. Die Kämpfe wurden weitgehend eingestellt.“
„Du weißt aber schon, was du damit deiner Familie antust? Die Hunnen sind nicht zimperlich. Die besiegten Stammesführer und deren Familien werden vernichtet, damit von ihnen bestimmt keine Gefahr mehr ausgeht. Für das Volk ist der Krieg dann sicher vorbei, aber zu Lachen wird es trotzdem nichts haben. Von den Hunnen unterjocht zu werden, ist kein Spaß“, halte ich engagiert dagegen.
„Was soll ich denn deiner Meinung nach tun? Je länger wir diesen sinnlosen Kampf weiter hinausziehen, umso schlimmer wird es“, gibt mein Vater nur noch klein bei. Er hat resigniert. Das ist seiner Stimme deutlich anzuhören und auch seine Argumente sind nur noch halbherzig. Er hat innerlich die Macht bereits abgegeben.
Die Verzweiflung und Ausweglosigkeit der Situation sind ihm mehr als deutlich ins Gesicht geschrieben. So am Boden habe ich meinen Vater noch nie erlebt. Die Lage muss wirklich ausweglos sein. Außerdem kann er an diesem Punkt sowieso nichts mehr ändern. Die Kapitulation ist überbracht. Die Situation ist, wie sie ist. Verdammt, kann man da wirklich nichts mehr daran rütteln?
Ich wende mich ab und schaue zum Fenster hinaus. Ich will meinen Vater wirklich nicht kritisieren oder gar vor allen Leuten im Saal bloßstellen. Ich mache mir halt Sorgen um meine Eltern und Geschwister, die engsten Vertrauten meines Vaters, die Freunde und den gesamten Stamm. Ich bringe meinem Vater immer noch den nötigen Respekt entgegen. Ich will mich aber auch nicht einfach nur so mit der Situation abfinden und hier warten, wie ein Schaf auf seinen Metzger. Ich bin es nicht gewohnt, klein beizugeben.
Es ist eine Ausnahmesituation. Schließlich stehen die Hunnen vor den Toren der Stadt. Allein schon ihr Name verbreitet weitum Angst und Schrecken. Sie belagern uns nun schon seit Wochen. Die Lebensmittel sind schon seit einiger Zeit zu Ende und vor allem die Zivilbevölkerung leidet schwer unter Hunger, ganz besonders die Schwachen, die Kinder und die Kranken. Krieg ist echt grausam.
Dabei haben wir den Krieg ja gar nicht angefangen. Die Hunnen standen eines Tages auf ihrem Zug gegen Westen vor unserem Stammesgebiet. Wir haben ihnen nie etwas getan. Wir wären sogar froh gewesen, hätten wir nie etwas mit ihnen zu tun zu gehabt. Aber nein, sie mussten zu uns kommen. Ich verstehe das nicht. Bisher haben sie vor allem Richtung Ostrom ihr Gebiet erweitert und sich dorthin ausgedehnt. Seit kurzem aber ziehen sie in Richtung Westrom.
Noch während ich vor dem Fenster stehe, nachdenke und mir den Kopf zermartere, um doch noch, wie durch ein Wunder, einen Ausweg aus dieser ausweglosen Situation zu finden, da fliegen plötzlich die Türen zum Saal auf. Das Gepolter ist groß und unnötig, aber offenbar ganz sein Stil. In der Tür steht ein wirklich beeindruckender Mann mit der typischen Rüstung der Hunnen. Die Szene wirkt in der Abenddämmerung fast gespenstisch. Von draußen dringt noch das letzte Licht des Tages durch die Tür in den Saal und wirft wegen der untergehenden Sonne einen beeindruckend langen Schatten des Mannes in den Saal. Es ist Attila!
Der Mann weiß, wie man die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Augenblicklich verstummen auch die letzten Stimmen im Saal. Jeder schaut gebannt in seine Richtung. Attila dagegen bleibt reglos auf der Türschwelle stehen, um dem Auftritt noch mehr Dramatik zu verleihen. Er nützt die Zeit, um sich im Raum umzuschauen. Er hat es offenbar nicht eilig und kostet seinen Triumph voll aus.
Er hat sehr kleine aber ausgesprochen wache Augen. Sie sind dunkel und wirken in der abendlichen Stimmung schwarz und undurchdringlich. Sein Blick ist durchdringend aber nicht unangenehm. Attila hat Charisma, das muss man ihm neidlos zugestehen. Er ist eine echte Erscheinung, und es kann sich wohl kaum jemand seinem Bann entziehen. Gegen ihn wirkt mein Vater fast schon farblos.
Plötzlich aber schreitet er gemessenen Schrittes auf meinen Vater zu. Jede seiner Bewegungen strotzt vor Kraft und Entschlossenheit. Attila ist der geborene Anführer. Während sich meine Mutter und meine drei Geschwister hinter meinem Vater in Sicherheit bringen, bleibe ich etwas abseits stehen. Ich bin mit meinen achtzehn Jahren die Älteste. Meine Geschwister dagegen sind neun, zwölf und vierzehn Jahre alt. Natürlich haben sie Angst, ich ja auch. Nur versuche ich es mir nicht anmerken zu lassen.
„Gerowin, ergib dich! Du und deine Familie, ihr kommt in Gefangenschaft“, weist Attila meinen Vater an.
Er ist es wohl gewohnt im Befehlston zu sprechen. Höflichkeiten auszutauschen, zählt ganz bestimmt nicht zu seinen Stärken. Ich glaube, es gibt wohl nur wenige Personen, die es wagen würden, ihm zu widersprechen. Doch als Hunnenkönig hat man es relativ leicht, sich Respekt zu verschaffen. Ihm eilt schließlich sein Ruf voraus und versetzt alle in Angst und Schrecken, noch bevor er das Gebiet überhaupt erreicht hat. Die Grausamkeit seines Heeres und seine Entschlossenheit sind weitum bekannt und gefürchtet. Die meisten erzittern vor Angst allein schon, wenn sie seinen Namen hören.
„Halt, nicht so schnell“, stelle ich mich Attila in den Weg, der meinen Vater fast erreicht hat.
Das hat er nun wirklich nicht erwartet, dass sich ihm ausgerechnet eine Frau in den Weg stellt. Das ist auch absolut unüblich und ziemt sich einfach nicht, besonders nicht für ein junges Mädchen, wie mich. Aber was habe ich denn schon zu verlieren. Entweder ich nehme all meinen Mut zusammen, oder ich lande sowieso zusammen mit den anderen in Gefangenschaft. Das bedeutet, wir werden Sklaven der Hunnen und müssen niedrige Arbeiten verrichten.
„Mein Täubchen, was willst du denn? Hat man dir nicht gesagt, dass sich junge Fräuleins ruhig zu verhalten haben, wenn erwachsene Männer miteinander reden?“, wendet er sich durchaus nicht unfreundlich an mich und hat dabei sogar ein belustigtes Grinsen auf den Lippen.
„Ich bin nicht dein Täubchen, ich bin die Tochter des Stammesführers und ich möchte mit dir verhandeln“, antworte ich entschlossen. Auch wenn es mich wirklich allen Mut kostet, den ich aufbringen kann, ich will mir meine Angst nicht anmerken lassen.
„Ildico, das ist nicht der richtige Moment“, fährt mich mein Vater erzürnt an.
„Lass sie, das würde mich jetzt aber doch sehr interessieren“, antwortet hingegen Attila meinem Vater und fährt dann zu mir gewandt fort. „Du willst mit mir verhandeln? Was hast du denn zu bieten?“
Verdammt, was soll das denn? Bei meinem überstürzten Einschreiten habe ich in der Eile die Sache nicht bis zum Ende durchdacht. Will er wirklich verhandeln? Wenn ja, dann ist die Frage durchaus berechtigt. Was habe ich zu bieten? Was kann ich in die Waagschale werfen, was mein Vater nicht kann?
„Mich, ich habe mich anzubieten“, antworte ich und bemühe mich dabei, mir meine Angst weiterhin nicht anmerken zu lassen.
„Du hast dich anzubieten? So, so! Aber dich kann ich nehmen, wie immer es mir passt. Dein Vater hat kapituliert. Ich kann dich zu meiner Sklavin machen“, grinst er mich fast schon überheblich an.
„Das kannst du, durchaus. Das gebe ich zu. Aber es ist ein Unterschied, wenn du eine Sklavin besitzt, die alles gegen ihren Willen machen muss oder ob du eine Frau vor dir hast, die sich bemüht, dir zu gefallen“, versuche ich ihm Kontra zu geben. Mir ist dabei durchaus bewusst, dass meine Verhandlungsposition wirklich nicht die beste ist.
„Glaube mir Ildico, ich kenne Mittel und Wege, dich zu zwingen“, lässt sich Attila auf den Wortwechsel ein und scheint dabei auch noch Spaß daran zu haben.
„Das glaube ich dir gerne. Aber dennoch, es ist immer noch ein Unterschied, ob dir eine Frau unter Zwang zu Willen ist, oder ob sie sich um dich bemüht.“
„Und du würdest dich um mich bemühen?“, meint er mit einem wölfischen Grinsen.
„Wenn wir uns einigen“, schöpfe ich fast schon so etwas wie Hoffnung.
„Und welche Erfahrung bringst du mit?“, bohrt er nach.
Mein Gott, was soll ich vor meiner Familie und den engsten Vertrauten meines Vaters auf diese Frage antworten. Ich hätte nie erwartet, dass er eine so unverschämte Frage stellt. Aber Attila scheint es seinerseits darauf angelegt zu haben, mich aus der Fassung zu bringen und mich zu schockieren. Und es macht ihm ganz offensichtlich auch noch einen Heidenspaß.
„Keine, ich war noch nie mit einem Mann zusammen. Aber ich bin lernfähig, das verspreche ich dir“, antworte ich nach einer kurzen Pause ehrlich und fast schon resigniert.
Langsam wird die Sache richtig peinlich. Alle im Raum beobachten uns genau. Dabei ist allen klar, dass ich nicht den Hauch einer Chance habe. Attilas Gefolge beobachtet unseren Wortwechsel mit sichtlichem Wohlgefallen. Ich habe den Eindruck, sie haben ebenfalls Spaß daran, wie Attila mit mir spielt und mich immer mehr in die Enge treibt. Meine Eltern und die Bediensteten des Hofes hingegen schauen betreten drein. Sie schämen sich ganz offensichtlich für mich.
Ich gebe ehrlich zu, ich habe echt jede Grenze des guten Geschmacks längst überschritten. Dass sich eine Frau so offen und schamlos einem Mann anbietet und sich dabei auch noch anpreist wie Ware am Wochenmarkt, das hätte auch ich mir bis vor wenigen Minuten nie im Leben vorstellen können. Aber besondere Situationen erfordern eben, dass man sich anpasst.
Außerdem muss ich zu meiner Verteidigung auch anführen, dass Attila es meisterlich verstanden hat, mich in dieses schändliche Gespräch zu verstricken. Ich bin ihm wie ein dummes Schaf aufs Glatteis gefolgt. Man ist es als Frau durchaus gewohnt, dass Männer zwischendurch sehr zotenhaft sprechen und sich auch mit ungebührlichen Ausdrücken und Gesten nicht immer zurückhalten. Aber mir als junger Frau, würde ein solches Gespräch nie zu Gesichte stehen.
„Gut, verhandeln wir. Beim Abendessen?“, überrascht mich Attila erneut.
„Ernsthaft?“, zweifle ich nun selbst an meinem Teilerfolg bei den Verhandlungen.
„Ernsthaft. Versprochen!“, antwortet Attila weiterhin belustigt.
Er scheint meine Frage aber etwas anders verstanden zu haben, wie ich sie genaugenommen gemeint habe. Ist auch besser so, dann mache ich nicht ganz die Figur des Dummerchen.
„Und meine Eltern und Geschwister? Was passiert in der Zwischenzeit mit Ihnen?“, frage ich.
„Die laufen uns nicht weg. Die setze ich hier im Haus fest“, meint er.
„Und die Bediensteten?“, lege ich noch eine Schippe drauf.
„Die auch? Im Ernst?“, schaut mich Attila überrascht an.
Auch ich kann dich überraschen, mein Freund, denke ich bei mir. Ich bin fast schon ein wenig stolz, denn zum ersten Mal habe ich ihn aus der Ruhe gebracht, ihn irritiert. Wow, ich kleines Mädchen habe den großen Attila sprachlos gemacht.
„Ja, im Ernst. Was wären es für Verhandlungen, wenn du währenddessen schon vollendete Tatsachen schaffst. Dann würden wir umsonst verhandeln“, lege ich nach.
„Gut, damit du zufrieden bist. Alle hier im Haus werden nicht angerührt“, lenkt er zu meiner Überraschung ein.
„Und meine Oma? Die wohnt etwas außerhalb. Kannst du sie hierher bringen lassen?“, mache ich weiter.
„Mit dir ist es echt nicht leicht, zu verhandeln?“, grinst er breit.
„Ich bin nur vorsichtig“, verteidige ich mich.
„Gut, dann lasse ich auch deine Oma hierher bringen. Kann jemand meinen Leuten den Weg zeigen?“, gibt er auch in diesem Punkt nach.
„Das kann ich tun“, meldet sich etwas vorlaut mein kleiner Bruder. Er hat sich während meines Disputs mit Attila allmählich hinter meinem Vater hervorgetraut und steht nun näher bei mir, als bi Vater. Dieser Vertrauensbeweis tut mir unglaublich gut und stärkt mein nicht vorhandenes Selbstvertrauen.
Mit seinen neun Jahren kann mein Bruder den Ernst der Lage vermutlich noch nicht ganz einschätzen. Doch ein solches Verhalten ist weniger bewusst, es geschieht vielmehr aus einem Gefühl heraus. Zuerst hat er sich vor Angst fast in die Hosen gemacht und ist hinter meinem Vater verschwunden. Aber langsam, langsam hat er – neugierig, wie er eben ist – den Kopf immer weiter hervor gestreckt und ist hinter mir in Position gegangen.
„Da ist ja jemand richtig mutig, wie seine große Schwester“, lacht Attila fast schon vergnügt auf.
„Natürlich bin ich mutig, wie meine Schwester“, protestiert mein Bruder todernst. Er hat vermutlich die Ironie nicht verstanden, die Attila zum Ausdruck bringen wollte.
„Gut, also bevor ich ganz meinen Ruf als der böse Hunnenkönig verliere, wollen wir diese Versammlung allmählich hinter uns bringen. Jetzt, wo ich alle deine Forderungen erfüllt habe, kommst du mit in mein Lager?“, wendet sich Attila wieder an mich.
„In dein Lager? Was machen wir dort?“, bin diesmal ich überrascht.
„Das Abendessen, erinnerst du dich noch?“, erklärt er mir. Er tut das so, als würde er mit einem kleinen Kind sprechen.
„Ah, bei dir im Lager, natürlich. Darf ich mich vorher noch umziehen und frisieren?“, antworte ich etwas verlegen.
„Und du nimmst nicht Reißaus?“, meint Attila.
„Ich gebe dir mein Wort“, versichere ich ihm ernst.
„Ich kenne dich noch nicht lange genug, um zu wissen, ob ich auf dein Wort etwas geben kann“, meint er. Allerdings weiß ich nicht, ob er mich damit nur necken will oder ob er es ehrlich meint.
„Wenn ich dir sage, dass ich komme, dann würde ich auch zu Fuß und alleine bis zu dir ins Lager gehen. Darauf kannst du dich verlassen“, entgegne ich fast ein wenig empört.
„Das möchte ich sehen“, neckt er mich schon wieder.
„Nun ja, wenn du mir ein Pferd erlauben würdest, wäre das besser. Ich weiß nicht, ob ich es zu Fuß rechtzeitig zum Abendessen schaffen würde oder unterwegs verhungere.“
Diesmal muss auch ich beinahe grinsen. Unser Geplänkel nimmt immer groteskere Formen an. Attila scheint mich wirklich nur aufziehen zu wollen und das ärgert mich.
„Von mir aus. Ich lasse zwei Reiter und ein Pferd da. Ich bin nicht unhöflich. Deshalb lasse ich eine hübsche, junge Frau nicht unbewacht durch den Ort reiten. Dazu ist mir die Lage im Augenblick auch zu gefährlich“, antwortet Attila höflich.
„Schließlich sind die Hunnen in der Stadt. Vorher war es sicherer“, gebe ich sarkastisch zurück.
„Ach so? Schon lange“, kontert er.
„Ich verspreche dir, ich werde kommen.“, versichere ich ihm. Durch den Gesprächswechsel versuche ich die Lächerlichkeit der Situation wieder in den Griff zu bekommen.
„Ich erwarte dich mit Freude!“, schließt Attila das Gespräch. Er verabschiedet sich mit einer kurzen, höflichen Verneigung von meinen Eltern und verlässt den Raum.
Kapitel 2
„Ildico, was hast du getan? Du bist so ja kein ehrbares Mädchen mehr. Sich einem Mann derart unverschämt anzupreisen, das geht doch nicht. Jeder muss dich jetzt ja für eine Hure halten“, tadelt mich mein Vater. Attila und sein Gefolge haben gerade den Saal verlassen. Ich bin nicht sicher, ob er es noch hören kann oder nicht.
„Hure oder Sklavin, wo ist da der Unterschied?“, gebe ich meinem Vater entschlossen Kontra.
Beflügelt von meinem vermeintlichen Erfolg blühe ich regelrecht auf. Aus dem Schatten meines Vaters als Stammesführer habe ich mich mit dieser Aktion gelöst. Zumindest habe ich etwas unternommen und so, wie es aussieht, habe ich zumindest die Chance zu verhandeln. Doch allmählich löse ich mich auch aus seinem Schatten als Vater.
„Lieber mit Würde eine Sklavin sein, als eine schamlose Hure“, antwortet er todernst.
Er ist wirklich aufgebracht. Diese Worte kommen aus seinem Mund, als würde er sie nur so ausspucken. Mir ist schon klar, dass ich gegen alle Konventionen zu Sitte und Anstand verstoßen habe, die es bisher in unserem Stamm gegeben hat. Aber um ehrlich zu sein, diese Konventionen sind mit der Kapitulation sowieso nichts mehr wert. Ab sofort gelten die Gesetze und Gepflogenheiten der Hunnen.
„Zumindest habe ich etwas unternommen, um meine Familie zu retten. Außer mir unternimmt ja niemand etwas. Dabei wäre es deine Pflicht, deine Familie und die Untertanen zu schützen. Doch du gehst lieber mit Würde unter, als einen Finger zu rühren. Du magst über mein Handeln denken, wie du willst. Ich habe mir nichts vorzuwerfen“, entgegne ich ihm energisch.
„Dir ist schon klar, dass das ein Pakt mit dem Teufel wird?“, meint er gefährlich leise.
„Ob er wirklich der Teufel ist, das muss sich erst noch zeigen. Tatsache ist, dass wir keinen anderen Verhandlungspartner haben. Entweder wir reden mit Attila oder mit keinem“, bleibe ich entschlossen.
„Das ist ein Pakt mit dem Teufel, sage ich dir. Du wirst noch an meine Worte zurückdenken. Ich fürchte, du wirst es eines Tages bitterlich bereuen, dich auf einen Handel mit diesem Mann eingelassen zu haben“, warnt mich mein Vater.
Es hat keinen Sinn, weiter mit ihm zu diskutieren. Er hat seine Meinung und ich meine. Für ihn verkörpert Attila das Böse. Das ist auch das, was seinen Ruf ausmacht. Ich dagegen bilde mir ein, auch andere Züge an ihm entdeckt zu haben. Seine Art, mich zu necken und mit mir zu spielen, war nicht immer angenehm und manchmal ausgesprochen peinlich. Doch es zeigt auch, dass er Humor hat, wenn auch einen etwas schrägen Humor.
Das meinem Vater zu erklären, wäre allerdings sinnlos. Also mache ich mich auf den Weg in mein Zimmer. Ich ziehe mich hübsch an und frisiere mich. Dabei gebe ich mir ausgesprochen viel Mühe. Ich will dem Hunnenkönig angemessen gekleidet und frisiert entgegentreten. Wenn ich ihm den nötigen Respekt entgegenbringe, dann hoffe ich, dass er auch mich respektiert. Er gilt als Barbar, doch auch er ist nur ein Mann.
Als ich fertig bin trete ich vor das Haus, wo zwei Hunnen. Sie halten ein drittes Pferd am Zügel, das wohl für mich gedacht ist. Es hat einen Sattel! So eine Frechheit! Für wen halten die mich denn? Warum soll ich ein Pferd mit Sattel nehmen? Ich bin eine gute Reiterin und will den Hunnen in nichts nachstehen.
Also nehme ich dem verblüfften Hunnen die Zügel für sein eigenes Pferd ab, das nur eine Decke übergeworfen hat und springe mit einem Satz auf den Rücken des Tieres. Die Pferde der Hunnen sind etwas kleiner, als unsere, sodass mir diese recht sportliche Art des Aufsteigens kein Problem bereitet. Da auch mein Pferd etwas kleiner ist, habe ich Übung darin, so aufzusteigen.
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