„Wie geht es mit uns weiter?“, will sie wissen.
„Das hängt vor allem von dir ab. Ich bin zu allem bereit“, antworte ich.
„Es ist unprofessionell, dass ich mit dir geschlafen habe.“
„Es war aber wunderschön und ich würde es immer wieder tun“, gestehe ich. „Am liebsten bis ans Ende unseres Lebens.“
Fee schaut mir direkt in die Augen. Ihr Blick wirkt abwesend, so als würde sie einen inneren Kampf ausfechten. Ich halte diesmal dem Blick stand. Es liegt an ihr. Ich habe klar gesagt, was ich fühle.
„Es sollte nichts Emotionales zwischen uns stehen. Wenn wir in eine Situation geraten, in der es gefährlich wird, könnten wir falsch handeln“, beschwört sie mich. „Das könnte fatale Folgen haben.“
„Es gibt an diesem Punkt kein Zurück mehr. Wir haben miteinander geschlafen“, stelle ich klar. „Und ich will diese Erfahrung nicht missen. Ich bereue es nicht.“
„Ich muss es melden und werde von diesem Fall abgezogen.“
„Das will ich nicht!“, stelle ich erschrocken klar. Ich setze mich auf. „Ich vertraue dir. Nur dir!“
„Was soll das heißen?“
„Entweder du oder niemand“, sage ich mit Entschlossenheit.
„Der Typ wollte dich entführen und hätte nicht gezögert, dich umzubringen, wenn es aus seiner Sicht nötig gewesen wäre. Du kannst nicht ohne Schutz bleiben.“
„Ich vertraue nur dir!“, stelle ich dezidiert klar.
Fee schaut mich entgeistert an. Ihr wird offenbar klar, wie ernst ist es meine. Sie sagt eine Weile nichts. Ich habe meine Meinung klar gesagt und warte ab, wie sie sich entscheidet. Ich bin auf jeden Fall fest entschlossen, keinen anderen Bodyguard zu akzeptieren.
„Du meinst es ernst?“, will sie wissen. Dem Tonfall nach zu urteilen ist es eine rein rhetorische Frage.
„Todernst!“
„Tomaso! Bitte“, fleht mich Fee an.
Ich nehme sie bei den Schultern und schaue ihr in die Augen. Ich sehe, wie sie mit sich ringt. Zum ersten Mal erlebe ich sie unsicher.
„Das ist doch alles Schwachsinn, dass es von Nachteil ist, wenn wir uns nähergekommen sind. Es gibt Männer, die es auf mich abgesehen haben und du sollst mich beschützen. Wir wissen beide nicht, was dabei auf uns zukommt. Es kann Situationen geben, in denen wir innerhalb von Sekunden reagieren müssen. Die Entscheidungen, die wir dabei treffen, können richtig oder falsch sein. So oder so gibt es keine Garantie“, erkläre ich.
„Wenn wir emotional vorbelastet sind, treffen wir keine objektiven Entscheidungen mehr. Wir lassen uns von unseren Gefühlen leiten“, kontert sie.
„Kann sein, dass wir keine objektiven Entscheidungen mehr treffen. Es gibt aber auch keine Gewissheit, dass eine subjektive Entscheidung nicht genauso richtig sein kann. Ja, wir sind emotional vorbelastet, das wird schon sein. Aber wir kennen uns auch viel besser, weil ich keinen anderen Menschen so nahe an mich heranlassen würde. Damit können wir besser abschätzen, wie der andere reagiert. Alles im Leben hat Vor- und Nachteile“, lege ich nach.
„Ok, versuchen wir es“, lenkt Fee ein. „Du lässt dich von mir sowieso nicht umstimmen.“
„In diesem Fall ganz sicher nicht.“
Sie beugt sich zu mir herüber und küsst mich. Es ist ein sehr liebevoller und inniger Kuss. Ich lege den Arm um sie und halte sie fest. Ihr Körper fühlt sich herrlich an. Es ist aber vor allem ihre Nähe, nach der ich mich sehne.
„Wehe, du lässt zu, dass dir etwas zustößt. Das würde ich mir nie verzeihen“, meint Fee.
„Wir sollten zurück und die Sachen aus meiner Wohnung holen“, antworte ich ausweichend. Ich will bewusst das Thema wechseln und nicht darüber nachdenken, was passieren könnte.
„Keine schlechte Idee. Wir sind trocken genug“, antwortet Fee.
—
Wir haben uns angezogen und sind zurück ans Ufer gesegelt. Fee beherrscht jeden Handgriff und führt ihn mit einer Leichtigkeit aus, als wäre es ein Spaziergang. Man sieht sofort, dass sie eine äußerst geübte Seglerin ist und die nötige Passion dafür besitzt. Sogar das Kreuzen gegen den Wind sieht bei ihr wie ein Kinderspiel aus. Für mich wäre es pure Muskelarbeit und Stress. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Fee immer noch mit Bedenken kämpft, weil ich sie überredet habe, nicht zu melden, dass wir uns nähergekommen sind.
„Hallo Werner, kannst du checken, ob vor Tomasos Wohnung alles in Ordnung ist? Wir müssten ein paar Sachen holen. Er hat nichts anzuziehen“, spricht Fee ins Telefon. „Blödmann!“, meint sie ärgerlich.
Sie hat die Kollegen angerufen, die offenbar meine Wohnung überwachen. Fee hört eine Zeitlang aufmerksam zu.
„Ok, wir nähern uns in etwa zwei Stunden dem Objekt. Wir nehmen die Tiefgarage. Sichert bitte den Zugang, damit uns drinnen niemand begegnet“, meint sie. Es entsteht erneut eine kurze Pause. „Gut, wenn wir vor Ort sind, kommunizieren wir über Kanal 21.“
Sie beendet das Gespräch und scheint einen Moment zu überlegen. Dann geht sie in den Eingangsbereich und nimmt ihre Waffe aus der abschließbaren Schublade. Sie hat sie sofort nach unserer Rückkehr wieder dort deponiert. Es scheint ein Grundsatz von ihr zu sein, dass die Waffe weggeschlossen wird, sobald wir im Haus sind. Obwohl es eher warm ist, legt sie das Schulterhalfter an und zieht eine dünne Lederjacke drüber. Die Pistole, die sie unter der Achsel trägt, ist nicht zu sehen.
„Wir sollten mein Auto nehmen“, sagt sie nachdenklich. „Wer weiß, ob die Leute, die dich beobachten, deinen Wagen kennen. Wenn wir aber meinen nehmen, vermeiden wir dieses Problem.“
„Wie ist die Lage vor Ort?“, erkundige ich mich.
„Vor dem Haus stehen vermutlich drei Teams, die unabhängig voneinander auf dich warten. Im Haus selbst scheint alles ruhig zu sein. Davon bin ich auch ausgegangen. Es wäre zu auffällig, wenn eine unbekannte Person im Treppenhaus herumlungern würde. Deshalb nehmen wir den Weg über die Tiefgarage.“, berichtet sie.
„Wie ist dein Plan?“
„Wir fahren über die Tiefgarage ins Haus. Ich hoffe, wir kommen unbemerkt an den Kerlen vorbei. Einmal in der Garage fahren wir mit dem Lift nach oben, gehen in die Wohnung und packen das Nötigste zusammen. Es sollte alles so schnell wie möglich ablaufen. Anschließend verschwinden wir hoffentlich ungesehen über denselben Weg, auf dem wir gekommen sind.“
„Klingt nach einem guten Plan“, bestätige ich. Ich drücke ihr zur Bestätigung einen Kuss auf die Lippen. „Wird schon schief gehen.“
Wir nehmen einen völlig unscheinbaren Ford Focus, der in der Garage steht. Auch heute fährt Fee. Durch das Wohngebiet lenkt sie den Wagen ausgesprochen langsam und beschleunigt erst, als wir auf der Hauptstraße sind. Ich bin ein wenig überrascht, dass sie meinen Wagen als lahme Ente bezeichnet hat und selbst nur einen Ford Focus fährt. Ich verkneife mir aber einen Kommentar. Könnte sein, dass sie in Bezug auf ihren Wagen etwas empfindlich reagiert. So gut kenne ich sie dann auch noch nicht.
Beide hängen wir die Fahrt über unseren Gedanken nach. Ich habe den Eindruck, als würde Fee immer noch darüber nachgrübeln, ob sie den Auftrag nicht doch zurückgeben soll. Allein meine Weigerung, mich auf einen anderen Beschützer einzulassen, hält sie davon ab. Davon bin ich überzeugt.
„Jetzt kommt der entscheidende Moment. Du solltest dich ducken, damit dich die Spitzel vor dem Haus nicht entdecken“, meint sie, als wir uns meiner Wohnung nähern.
„Wir schaffen das“, beruhige ich sie. Dabei krieche ich in den Fußraum des Wagens.
„Hast du Schiss?“, erkundigt sie sich.
„Ein wenig“, gebe ich ehrlich zu. „Ich bin aber froh, dass du bei mir bist.“
„Still jetzt, wir fahren gleich die Rampe hinunter.“
Ich kann überhaupt nichts sehen. Im Fußraum des Kleinwagens ist es ausgesprochen eng und unbequem. Ich verstehe allerdings, was hinter Fees Plan steckt. Ein neutraler Wagen fährt in die Tiefgarage eines Wohnkomplexes und eine Frau sitzt am Steuer. Unauffälliger könnten wir nicht sein. Die Typen, welche das Haus bewachen, können unmöglich alle Autos kennen oder kontrollieren, die in die Tiefgarage fahren. Solange sie keine Spur von mir entdecken, müsste alles gut sein. Deshalb ducke ich mich noch ein Stückchen tiefer.
„Aussteigen!“, meint Fee.
Der Wagen hält, Fee zieht die Handbremse und stellt den Motor ab. Ich bin froh, endlich aus meiner ausgesprochen beengten Lage zu kommen. Kaum, dass ich ausgestiegen bin, schaue ich mich erstmal um. Zu meiner Erleichterung kann ich keine Menschenseele in der Tiefgarage ausmachen. Auch Fee behält alles genau im Blick. Als sie mir zunickt, nehme ich sie bei der Hand und eile zur Garagentür, hinter der sich der Aufzug befindet. Während wir darauf warten, dass die Türen aufgehen, küsse ich sie. Ich kann dem Drang dazu einfach nicht widerstehen.
„Danke“, hauche ich.
„Wofür?“
„Dass du bei mir bist.“
Kaum, dass die Türen offen sind, schlüpfen wir hinein. Erneut ziehe ich sie an mich und küsse sie. Fee lässt sich bereitwillig auf den Kuss ein. Da allerdings die Türen sich schon wenig später wieder öffnen, dauert der Kuss zu meinem Bedauern nicht lange. Fee hält mich zurück, als ich in den Flur hinaustreten will. Sie schaut in den Gang, um sicher zu sein, dass sich dort niemand herumtreibt. Erst dann gibt sie mir ein Zeichen ihr zu folgen. Die Luft ist tatsächlich sauber. Weit und breit ist kein Mensch zu sehen. Ich beruhige mich ein wenig. Trotzdem pocht mein Herz immer noch bis hinauf zum Hals.
Es ist schon ein komisches Gefühl, sich in die eigene Wohnung schleichen zu müssen. Ich hätte nie gedacht, dass ich wie ein Dieb diesen Gang entlangschleiche. Nun übernehme wieder ich die Führung. Schließlich kenne ich mich aus. Ich gehe auf die Wohnungstür zu, sperre auf und wir gehen hinein. Ich überlege, ob ich die Sicherheit der Wohnung nützen soll, um Fee erneut zu küssen. Aus einem Bauchgefühl heraus entscheide ich mich jedoch dagegen. Wir wollen vermutlich beide so schnell wie möglich wieder verschwinden. Deshalb nehme ich im Vorraum einen Rollkoffer aus dem Schrank und will ins Schlafzimmer, wo die Kleider sind. Ich drehe mich gerade um, da stockt mir das Blut in den Adern. Scheiße! In der Tür zum Wohnzimmer steht ein Mann mit Pistole.
„Na, wen haben wir denn da?“, meint er und lächelt dabei spöttisch.
„Wer sind Sie? Was machen Sie in meiner Wohnung?“, frage ich verärgert.
Fee steht hinter mir. Ich breite meine Arme leicht nach hinten aus. Für den Mann soll es so aussehen, als wollte ich sie beschützen. In Wahrheit will ich sie nur warnen und ihr zu verstehen geben, dass sie vorsichtig sein soll.
„Wer ist denn die Kleine?“, erkundigt sich der Mann prompt.
„Das ist meine Freundin. Lass sie aus dem Spiel. Sie hat nichts damit zu tun“, antworte ich entschlossen.
„Ob sie etwas damit zu tun hat oder nicht, das entscheide immer noch ich. Schließlich habe ich die Pistole in der Hand“, kontert er. „Geht da hinein!“
Dabei zeigt er auf die Tür zum Wohnzimmer und fuchtelt gleichzeitig wie wild mit der Pistole herum. Wir folgen seiner Aufforderung. Fee scheint mich verstanden zu haben. Sie bleibt hinter mir in Deckung und spielt die Ängstliche. Da ich sie kenne, ist mir sofort klar, dass sie ihn genau studiert und nur auf den richtigen Augenblick wartet, um ihn auszuschalten. Vor allem ihr konzentrierter Gesichtsausdruck ist ein eindeutiges Indiz dafür. Der Mann gibt uns mit der Waffe zu verstehen, dass wir zum Fenster gehen sollen. Damit befindet er sich zwischen uns und der Tür. Wenn wir flüchten wollten, müssten wir an ihm vorbei. Er lächelt überheblich und ich wette, er ist sich seiner Sache ziemlich sicher.
„Eigentlich sollten wir so schnell wie möglich verschwinden“, meint er. „Aber ein wenig Spaß muss sein. Schließlich vermutet keiner, dass ich in der Wohnung auf Euch gewartet habe.“
„Was willst du von uns?“, frage ich noch einmal.
„Das wirst du schon sehen. Erstmal will ich mich mit deiner Freundin vergnügen. Ist es nicht erregend zu wissen, dass unten die Bullen warten und ich hier oben mit Euch machen kann, was ich will?“
Bei diesen Worten greift er um mich herum und packt mit seiner Linken Fee am Oberarm. Daran zieht er sie zu sich heran.
„Komm schon, mein Täubchen. Wehr dich nicht. Es hat eh keinen Sinn!“
„Lassen Sie mich in Ruhe!“, fleht Fee. Sie spielt perfekt das ängstliche Mädchen.
Der Mann packt sie mit der Linken am Kinn und zerrt ihr Gesicht zuerst nach links und dann nach rechts. Er mustert sie unverhohlen lüstern und grinst dabei gemein.
„Bist eine süße Schnitte. Hätte diesem Studenten nicht so viel guten Geschmack zugetraut. Mit dir macht es sicher Spaß“, meint er. „Du wirst dich jetzt hinknien, meinen Schwanz aus der Hose holen und mir einen blasen. Das kannst du doch?“
„Das können Sie nicht von mir verlangen“, jammert Fee.
Der Mann hält ihr entschlossen die Waffe an den Kopf und deutet mit der Linken an, sie an der Schulter nach unten zu drücken. Es ist aber nur als Hinweis gedacht.
„Entweder du verwöhnst meinen strammen Jungen oder ich stecke dir den Lauf der Pistole in dein Nuttenmaul und drücke ab“, droht er. „Die Entscheidung liegt bei dir.“
„Nein, bitte nicht. Ich mache ja alles, was sie verlangen“, heult Fee. Sie geht dabei langsam in die Hocke.
Wenn ich nicht genau wüsste, wie taff diese Frau ist, würde auch ich auf ihre schauspielerische Leistung hereinfallen. Besser könnten wir nicht zusammenspielen.
„Sie Schwein!“, brülle ich den Mann voller Hass an.
Er hebt daraufhin abrupt die Waffe und richtet sie gegen mich. Es ist mir gelungen, ihn abzulenken. Er achtet einen Moment nicht auf Fee. Das ist für sie der perfekte Augenblick. Sie schnellt nach oben, packt mit der Linken die Hand, in der er die Pistole hält, und reißt sie mit einem kräftigen Ruck nach oben. Damit zielt die Waffe zum Glück nicht mehr auf mich. Allerdings löst sich im Handgemenge ein Schuss. Es gibt einen fürchterlichen Knall. Sowohl der Angreifer als auch ich, zucken vor Schreck zusammen. Nur Fee lässt sich von dem Schuss nicht im Mindesten beeindrucken. Während wir Männer einen Moment wie erstarrt dastehen, packt Fee den Typen mit der Rechten am Oberarm und drückt mit der Linken die Hand brutal nach hinten. Gleichzeitig dreht sie dem Mann die Hand nach unten. Sie legt ihre ganze Kraft in diese ruckartige Bewegung. Das Gelenk am Ellbogen wird hart gedreht und gibt mit einem Ruck nach. Der Mann schreit laut auf vor Schmerz. Im selben Moment rammt ihm Fee das Knie mit unglaublicher Wucht zwischen die Beine. Sie geht dabei so brutal vor, dass es den Mann einige Zentimeter in die Höhe hebt. Es muss ihm gewaltig wehtun. Geistesgegenwärtig springt Fee zur Seite. Während die Pistole polternd zu Boden fällt, will der Typ mit beiden Armen seinen Schritt schützen. Doch der rechte Unterarm baumelt nur noch lose herb. Das Gelenk muss völlig zertrümmert sein und gehorcht ihm nicht mehr. Mit der linken Hand im Schritt kippt er vorne über. Er versucht im letzten Moment sich instinktiv mit beiden Händen abzufangen, brüllt aber erneut auf, da sein rechter Arm unter der Last seines Körpers nachgibt und unter ihm begraben wird.
„Du bist ein Fuchs“, lobt mich Fee.
„Danke für das Kompliment“, antworte ich. „Du bist aber auch nicht schlecht.“
„Den haben wir ganz schön reingelegt.“
„Sind wir nicht trotz allem ein gutes Team?“, will ich wissen. „Oder vermutlich gerade deswegen.“
„Du hast Recht“, pflichtet sie mir bei. „Aber jetzt sollten wir schauen, dass wir so schnell wie möglich verschwinden.“
„Was machen wir mit ihm?“, frage ich.
„Er wollte ein warmes Gefühl. Das soll er haben“, antwortet sie. Dabei grinst sie schelmisch. „Er hat es sich vermutlich etwas anders vorgestellt, aber mehr habe ich im Augenblick nicht zu bieten.“
Fee nimmt aus einer Tasche ihrer Lederjacke einen längeren Kabelbinder. Sie reißt die Arme des am Boden liegenden Mannes nach hinten und fesselt sie damit, wie mit Handschellen. Der Mann brüllt erneut auf. Sein Arm muss ihm unglaublich wehtun. Doch wir nehmen beide keine Notiz von seinen Schmerzen. Inzwischen verliere auch ich langsam die Hemmungen, den anderen wehzutun. Schließlich hat er uns aufgelauert. Vor allem aber kann ich ihm nicht verzeihen, dass er sich an Fee vergehen wollte.
„Hilf mir, ihn auf die Beine zu stellen“, bittet sie mich.
Während sie ihn recht brutal an den Armen nach oben zieht, helfe ich an einer Schulter nach. Als er steht, dirigiert sie ihn zum raumhohen Heizkörper und lehnt ihn dagegen. Mit einem zweiten Kabelbinder fixiert sie die zusammengebundenen Arme an einem Rohr. Damit hat er keine Chance mehr zu fliehen. Vor allem mit dem verletzten Arm wird er sich hüten, Kraft auszuüben, um sich loszureißen.
„Pack zusammen, was du brauchst“, bittet sie mich. „Ich bewache den Kerl.“
Ich eile ins Schlafzimmer und suche ein paar Hosen, Shirts, Hemden sowie Unterwäsche und zwei Paar zusätzliche Schuhe zusammen. Im Bad räume ich alles Nötige in meine Toilettentasche und werfe diese zur Kleidung. Dann verschließe ich den Rollkoffer und gehe zurück ins Wohnzimmer. Ich habe keine fünf Minuten gebraucht.
„Wie meinst du das mit dem warmen Gefühl, das du ihm schenken willst? Der Heizkörper ist doch kalt“, frage ich. „Es ist Sommer.“
„Besseres haben wir nicht zu bieten“, grinst sie. „Im Winter wird er hoffentlich wieder warm.“
„Du blöde Kuh willst mich doch nicht hier verrecken lassen?“, brüllt der Angreifer. „Wer bist du überhaupt?“
„Mein Freundin“, antworte ich und lache laut.
„Tomaso und ich kommen gleich raus. Wir haben einen Gefangenen gemacht. Er hat sich in der Wohnung aufgehalten und uns mit einer Waffe bedroht. Haltet Euch im Moment noch zurück!“, höre ich Fee sagen. „Wenn wir weg sind könnt ihr den Mann einsammeln. Er hängt sicher verwahrt an der Heizung im Wohnzimmer.“
Sie telefoniert mit ihren Kollegen. Sie lächelt mich zufrieden an. Noch während sie das Telefongespräch beendet und das Handy in ihrer Gesäßtasche verschwinden lässt, geht sie zur Heizung und überprüft noch einmal die Fesselung des Mannes.
„Hast du alles? Papiere, Unterlagen, Bücher oder was du sonst noch alles brauchst?“, will sie wissen.
„Ich habe alles“, bestätige ich.
„Mach´s gut. Wir müssen leider los“, meint sie zu unserem Angreifer. Dabei wirft sie ihm eine Kusshand zu. „Schade, dass aus uns nichts geworden ist.“
„Ich kriege dich, du Schlampe. Das schwöre ich.“
Es folgen noch diverse Flüche. Sein Ärger ist verständlich. Nicht nur, dass er von einer Frau überwältigt wurde, sie verarscht ihn auch noch. Fees Lachen zeigt mir, dass sie großen Spaß daran hat. Dann aber dreht sie sich zu mir um.
„Los! Abmarsch!“, sagt sie.
Ihre Entschlossenheit, die sie nun wieder an den Tag legt, zeigt mir, dass auch sie froh ist, wegzukommen. Wir gehen zur Tür, Fee kontrolliert, ob jemand auf dem Gang ist und gibt mir ein Zeichen, ihr zu folgen. Wir eilen zum Aufzug und drücken den Knopf. Zum Glück ist er von vorhin noch auf dem Stockwerk und die Türen öffnen sich sofort.
„Du zuerst“, fordert sie mich auf.
Da sie das Kommando hat, diskutiere ich nicht lange. Auch wenn ich normalerweise aus Höflichkeit ihr den Vortritt lassen würde. Doch es ist nicht der Moment den Kavalier heraushängen zu lassen. Ich betrete den Aufzug und ziehe den Koffer hinter mir her. Fee schlüpft hinter mir herein und drückt den Knopf für die Garage. Zu meiner Überraschung zieht sie die Waffe.
„Was ist los?“, frage ich besorgt.
„Jemand könnte den Schuss gehört haben und uns in der Garage auflauern. Ich glaube nicht, dass der Typ da oben allein ist“, erklärt sie.
Als sich die Aufzugtüren wieder öffnen, steckt sie vorsichtig den Kopf nach draußen. Erst als sie sicher sein kann, dass niemand in der Nähe ist, gibt sie mir das Zeichen, ihr zu folgen. Bei der Tür zur eigentlichen Tiefgarage wiederholt sich das Bild. Fee braucht diesmal etwas länger, da die Garage größer und unübersichtlicher ist. Sie lässt sich Zeit, um sicher sein zu können, dass sich niemand hinter einer Säule versteckt hat. Ganz sicher sein kann man zwar nie sein, aber es sieht offenbar so aus, als ob alles in Ordnung ist. Erneut bekomme ich ein Zeichen und folge ihr. Wir eilen zum Wagen. Ich wuchte mein Gepäck in den Kofferraum und setzte mich auf den Beifahrersitz. Fee ist im Nu um den Wagen herum. Einsteigen und den Motor starten sind Eins.