©Helios53 / II 2013

Kapitel 10 – Elf Zentimeter oder gar vierzehn?

Susi

Konzentriert arbeitete Susi in der geräumigen Dampfduschkabine an ihrer Intimzone. Zwar hatte sie schon bisher ihre Haare sauber getrimmt und, den Jahr für Jahr knapper werdenden Bikinihöschen geschuldet, für jede Saison noch schmäler rasiert, aber neulich hatte sie in einer Zeitschrift Ausblicke auf die Bademode der Saison 2005 studiert und dabei ein Modell entdeckt, das sie unbedingt haben wollte. Eine Neuanschaffung war schon lange Thema im Hause Martini, denn Susi wollte sich von ihren Mädchen-Bikinis einfach nicht trennen, obwohl sie, wie sich ihr Bruno so charmant ausdrückte, nahezu ‚aus den mickrigen Fetzen quoll‘.

Genau das war auch der eigentliche Grund, warum sie immer noch Badekleidung trug, die sie mit dreizehn bekommen hatte. Inzwischen war sie in alle Richtungen gewachsen, nicht so sehr in die Länge wie Sabine, aber doch deutlich erkennbar, wodurch sich relativ Oberteil und Höschen in nahezu unschicklicher Art und Weise verkleinert hatten. Dementsprechend fielen die Reaktionen aus. Ihre Verwandten schüttelten missbilligend den Kopf, aber da die strategisch heißesten Stellen so eben noch verdeckt waren, sahen sie von Ordnungsrufen ab, versuchten dagegen, Susi Neuanschaffungen schmackhaft zu machen, die weniger Augäpfel zu schmerzhaftem Hervortreten stimulierten.

Die Jungs an der Schule, aber auch männliche Badegäste aller Semester, ließen, wenn sie sich unbeobachtet fühlten, ihre Blicke mit Wohlgefallen auf den knackigen Rundungen ruhen, die Susi recht freizügig zur Schau stellte. Nun aber war das Ende der Fahnenstange erreicht. Noch weiter ließen sich die Bändchen nicht schnüren, ohne die Gefahr heraufzubeschwören, plötzlich ganz im Freien zu stehen. Das neue Modell, das Susi nun im Auge hatte, entsprach aber gar nicht den Vorstellungen ihrer Verwandtschaft, vornehmlich der italienischstämmigen, bestand es doch auf der Hinterseite nur aus Schnürchen und vorne auch nur aus winzigen Dreieckchen, die weniger scharfsichtigen Betrachtern die Illusion vollkommener Nacktheit beschert hätten. Auch wenn Susis Mutter in dieser Hinsicht wesentlich toleranter war, mit einem Ankauf aus elterlichen Mitteln war nicht zu rechnen. Doch das großzügig bemessene Taschengeld sollte eine entsprechende Rücklage bis zum Beginn der kommenden Freiluftbadesaison erlauben. Jedenfalls fand es die rassige Göre angebracht, ihre Bikinizone rechtzeitig angemessen vorzubereiten.

Offen blieb nur, ob sie ihren Traum-Bikini heimlich erwerben sollte, oder ob sie sich der wohl unausweichlichen Kritik und Missbilligung aussetzen sollte. Einige Hoffnung setzte sie dabei in ihre Freundin Manuela, die die bisher hoffnungslos vatikanischen Moralvorstellungen von Cousin Nino radikal anzuknabbern begonnen hatte. Fiel der einmal als Hüter von Anstand und Sitte aus, war für Susis Sache viel gewonnen, denn der inzwischen einundzwanzig Jahre alte Kronprinz des mitteleuropäischen Oberhauptes der Martini — Mariano war der ältere Bruder von Susis Vater Giovanni — galt sehr viel im Clan, vor allem, wenn es um Jugend, Mode und das ging, was ‚In‘ war.

Über all diesen Gedankenflügen war Susi zu einem befriedigenden Ergebnis ihrer Bemühungen gekommen. Sie gönnte sich noch eine ausgiebige Dusche und nach sorgfältigem Abtrocknen auch noch eine satte Portion einer mildduftenden Pflegecreme. Sie war nicht wenig aufgeregt, fühlte sich aber dennoch gut und bereit für den finalen Auftritt morgen in Hamburg. Stolz reckte sie vor dem Spiegel ihre Brüste, posierte ein wenig und fand sich ganz okay. Plötzlich überfiel sie die Erkenntnis, dass es, gelinde gesagt, absurd war, wenn sie einerseits gerade im Begriff stand, sich als ‚exhibitionistische Schlampe‘ zu qualifizieren und andererseits aus Rücksicht auf die hoffnungslos verstaubten Moralvorstellungen der Verwandtschaft einen neuen Bikini vor ihnen verstecken wollte.

In aufwallender Euphorie mutig geworden, klemmte sie sich ihre Kleider unter den Arm, trat nackt aus dem Bad und wanderte gemächlich über den Flur zu ihren Zimmer, passierte dabei die Lasterhöhle ihres Bruders. Da die Tür offen stand, erhaschte der verblüffte Bruno einen ausgiebigen Blick auf die aufreizenden Kurven seiner kleinen Schwester. Verdammt! Schwester oder nicht Schwester, das war einen zweiten Blick wert. Er stürzte zur Tür, linste vorsichtig um die Ecke und erwischte sie gerade noch, wie sie in ihrem Zimmer verschwand und dabei kurz mit dem Po wackelte. Das Biest wusste Bescheid!

Sabine

Auch Sabine betrachtete sich zur selben Zeit im Spiegel, allerdings war ihr Interesse auf andere Körperregionen gerichtet. Mit ihren Beinen war sie sehr zufrieden, doch schienen sie eher zu lang für den Rest des Körpers. Fohlenhaft, was ihr etwas Unbeholfenes gab, obwohl sie sportlich und geschickt war, seit gut einem Jahr intensiv tanzte, am liebsten Rock ’n‘ Roll und dabei durchaus gute Figur machte. Etwas mehr Busen hätte sie sich gewünscht, vor allem, wenn sie sich mit ihrer Freundin Susi verglich. Die hatte seit ihrem sechzehnten Geburtstag einen ziemlichen Wachstumsschub erlebt, war nun schon fast gleich groß und setzte zum Überholen an. Und das bei perfekten Proportionen!

Auf ihre Schambehaarung verschwendete sie kaum einen Gedanken. Erstens fielen die blonden Löckchen kaum auf, weil sie — zweitens — nicht gar zu viele davon hatte und drittens beabsichtigte Sabine nicht, sich in öffentlichen Schwimm- und Hallenbädern herumzutreiben. Sobald die Temperaturen es zuließen, würde sie sich am unweit gelegenen Baggersee nackt sonnen. Im Familienurlaub gab es sowieso nur FKK, da nahm sie Badekleidung nicht einmal mit.

Viel mehr beschäftigte sie die Frage, was sie morgen anziehen sollte. Morgens, wenn sie aus dem Haus ginge, da würde sie Jeans tragen, ein Sweatshirt und darüber ihre Jeansjacke, das war klar! Ausflug nach Lüneburg, so hieß es offiziell und irgendwie stimmte es ja auch. Dass sie aber, kaum dort angekommen, in den Zug nach Hamburg steigen würden, darüber hatten sie Stillschweigen vereinbart, denn das würde nur Fragen über Fragen hervorrufen und — schröckliche Vorstellung! — womöglich auch noch die ferne Verwandtschaft ins Spiel bringen. ‚Ach, Sabine, wenn du schon mal da bist, könntest du ja bei Ingrid vorbeischauen. Die freut sich sicher und dann kann sie dir auch alles zeigen …‘, hörte sie schon ihren Papa sagen. Ne, Lüneburg – und alles andere war Geheimsache.

Irgendwo in Hamburg, am besten wohl direkt im Einkaufszentrum Mannomann, auf das sich die drei unternehmungslustigen Jungschlampen geeinigt hatten, vermutlich in den Toiletten, musste sie sich aber umziehen, denn die Aufgabe besagte ja, dass sie mit Minirock und nichts drunter, zumindest ohne Höschen, mindestens vier Stunden dort verweilen musste. Nicht in den Toiletten, sondern im Kaufhaus und zu allem Überfluss mussten auch mindestens drei Erwachsene diesen Umstand zur Kenntnis nehmen. Das war schon etwas hart. Sabine grinste, wenn sie an ‚hart‘ dachte und gleichzeitig an Bruno. Der sollte lieber nichts von der geplanten Aktion erfahren.

Susi hatte erwähnt, dass sie sich ein heißes Outfit von ihrer Tante Babs borgen wollte. Und wenn Susi ‚heiß‘ sagte, dann meinte sie damit sicher ‚sehr heiß‘. Sabine grübelte nun, wie sie ihrer Freundin Paroli bieten konnte. Der eigene Kleiderschrank gab nichts her, in Manuelas Sachen passte sie ganz sicher nicht rein, aber da das Wiechert’sche Haus bis auf sie selber leer war und es auch noch geraume Zeit bleiben würde, stöberte sie in Mutters Kleiderschrank. Leider vergebens. Da fiel ihr ein, dass Wiechert im letzten Sommer ein paar Tonnen Kleider ausgemustert und im Keller zwischengelagert hatte. Die sollten zur Altkleidersammlung, aber bis jetzt hatte sich niemand gefunden, der das auch durchgeführt hätte. Nach Sabines Erinnerung hatte ihre Mom hin und wieder geseufzt: „Das kann ich nicht mehr tragen, ich bin ja eine anständige Frau!“

‚Aber ich kann, und ich werde!‘, dachte Sabine unternehmungslustig und stieg die Treppen hinunter. Bald wurde sie fündig. Drei große Kartons waren es. Einen nach dem anderen räumte sie aus und wieder ein. Übrig blieben ein paar scharfe Sachen, in denen sich Sabine ihre Mutter eigentlich nicht so recht vorstellen konnte. Energisch packte sie alle in einen großen Müllsack, schleppte die Beute in ihr Dachkämmerlein und verbrachte die nächste Stunde damit, alles anzuprobieren. Leise schlich sich der Gedanke ein, dass der Raubzug im Keller nicht für immer unentdeckt bleiben würde, aber hergeben wollte sie nichts mehr von ihrem Schatz. Zu geil sah das Zeug aus, glücklicherweise zu einem großen Teil bügelfrei. Da war ihre Mutter ziemlich praktisch eingestellt. Vielleicht war sie auch kein Fan von Hausarbeit gewesen? Jedenfalls war Frau Wiechert ein wenig kleiner als ihre , weswegen die Kleider an Sabine noch kürzer erschienen.

Nach einigem Hin und Her entschied sie sich für ein kesses Retro-Stück, ein elastisches Strickkleid in Gelb-, Braun- und Orangetönen, das so eng anlag, dass man jede Kontur mühelos verfolgen konnte. Oben war es ziemlich hochgeschlossen, dafür ärmellos. An den strategisch gefährlichsten Stellen war innen ein dünnes Futter eingenäht, aber den Bauchnabel konnte man mehr als nur erahnen — Sabine plante nicht, ihn mit Unterwäsche zu verdecken. Da das Kleidchen knapp unter dem Po endete, ragten ihre langen Fohlenbeine nahezu obszön darunter heraus. In einem Anfall von Wagemut beschloss sie, das noch mit ihren rot-gelb geringelten Leg Warmers zu unterstreichen, die weit über das Knie reichten und dennoch viel von ihren nackten Oberschenkeln sehen ließen. Wenigstens konnte sie dazu gut ihre neuen Nikes kombinieren. Die Schuhverkäufer würden ausrasten, wenn sie in diesem Aufzug anfing, High Heels zu probieren. Immerhin wusste sie sich auch mit solchen sicher zu bewegen, denn im Tanzclub trug sie für Standard- und Lateinamerikanische Tänze natürlich entsprechende Schuhe. Tango oder Walzer in Turnschuhen ging nun mal gar nicht, das sah sogar die burschikose Sabine ein.

Entschieden stopfte sie die ausgesuchten Kleidungsstücke in ihren Citybag und ging mit einem Schmöker zu Bett, den sie neben den Erinnerungen an den unvergleichlichen Mac Happsteiner aus den Sommerferien in Bayern mitgebracht hatte. ‚Heiße Nächte für die Lady‘ entsprach genau ihrem Geschmack. So wie Modesty Blaise wäre sie auch gern gewesen. Die Frau war pures Dynamit, dagegen wirkte Angelina Jolie als Lara Croft plump und ungeschickt. Als sie einschlummerte, träumte sie davon, wie sie den Bösewicht, der in seinem Aussehen frappant dem Polizeiobermeister Rüdermann ähnelte, mit ihrem verführerisch nackten Körper einlullte und dann blitzschnell durch einen überraschenden Fußstoß gegen die Schläfe außer Gefecht setzte. Mit zufriedenem Grinsen schlief sie selig den Schlaf der Gerechten.

Verwandte

Am folgenden Samstagmorgen registrierten zwei Elternpaare verblüfft, dass ihre Töchter schon kurz nach sieben zum gemeinsamen Frühstück erschienen. Auf Anfrage erklärte Sabine: „Die Manu hat gemeint, dass wir den ganzen Tag brauchen und daher schon um neun vor dem Laden sein sollen.“

„Die Manu? Ich wusste gar nicht, dass die mitkommt. Aber die ist wohl immer mit von der Partie, was? Ihr seid ja sozusagen die drei Musketeusen.“

„Klar! Alle für eine. Genau genommen ist es ja so, dass sich Manu was Neues kaufen will und wir sollen sie beraten.“

„Du willst Manu beraten? Will sie sich Jeans kaufen oder was? Mit schönen Kleidern hast du ja sonst auch nicht viel am Hut, aber die Manu sehe ich manchmal schon in schicken Klamotten.“

„Ob sie gut aussieht oder nicht, kann ich sehr wohl und sehr gut beurteilen!“, zischte Sabine. „und außerdem ist ja Susi auch noch mit dabei.“

„Bei der weiß ich genau, wie sie am besten aussieht“, mischte sich Bruder Max ein, der müde am Türrahmen lehnte.

„Wo kommst du denn her um diese Zeit?“, fragte Torsten Wiechert argwöhnisch und schnüffelte. „Sag mal, bist du betrunken, Sohn?“

„Bin mit den Jungs versackt“, nuschelte Max, „hab vielleicht ein, zwei Bier getrunken. Alles easy, ich hau mich mal auf die Matratze. ’schüss!“ Gespielt torkelnd tappte er die Treppe hinauf. Sabine war mit der Entwicklung zufrieden. Je weniger sie über den geplanten Ausflug erzählen musste, desto weniger brauchte sie zu lügen. Bisher hatte sie noch gar nichts Unwahres erzählt, nur halt nicht die ganze Wahrheit.

„Was hat er eigentlich gemeint damit, wie Susi am besten aussieht?“, wunderte sich ihr Vater gerade, der nicht immer alles mitkriegte, was seine Sprösslinge betraf. Während seine Frau Nicole nach Worten rang, um ihm auf die Sprünge zu helfen, stopfte sich Sabine den Rest des Gugelhupfs in den Mund, spülte schnell mit Tee nach, stand auf und packte ihren Beutel.

Schon in der Tür, drehte sie sich noch einmal kurz um. „Napft!“, verkündete sie mit vollem Mund und einige Kuchenbrösel entfernten sich unerlaubt von den Lippen. Dann eilte sie hinaus, ließ einen entgeisterten Vater und eine grinsende Mutter zurück.

Manuela

Manuela und Susi warteten schon an der Bushaltestelle, sehr ähnlich gekleidet wie Sabine. Jeans, Turnschuhe, Pulli, Jacke, denn es war kühl Mitte November. Susi hatte eine Stofftasche dabei, in der wohl ihr Minirock verstaut war, Manuela eine mittelgroße Reisetasche für die Alltagskleidung der beiden Schlampenaspirantinnen, denn sie hatte nicht nur die Aufgabe, die Einhaltung der Vorgaben zu überwachen, sondern auch, die Kleidungsstücke in Verwahrung zu nehmen, die während der Mutprobe nicht benötigt wurden. Die beiden Höschen zum Beispiel.

Der Bus nach Lüneburg war mehr als voll, sie mussten stehen bleiben. Da konnten sie keine vertraulichen Gespräche führen, aktivierten ihre iPods und wiegten sich im Rhythmus der Musik. Jede in einem anderen. Dafür war der Zug nach Hamburg fast leer, so konnten sie ihre Aktion ungebremst durchhecheln. Der Plan sah vor, dass sich Sabine und Susi zuerst umzogen und dann alle drei gemeinsam das ganze Mannomann-Center durchwanderten, alle in Frage kommenden Schuhgeschäfte notierten — Manu hatte einen Notizblock und drei Stifte eingepackt — und dabei nach Geschäften Ausschau hielten, die Manuela mit ihrem Besuch beehren wollte. Nino war anlässlich ihres Geburtstages im Oktober sehr großzügig gewesen und hatte ihr erlaubt, sich neu einzukleiden — „aber so, dass ich auch was davon habe, wenn ich es dir wieder ausziehe!“

Nach einigen Irrwegen in der Großstadt erreichten sie dennoch lange vor Mittag ihr Ziel. Susi und Sabine verschwanden umgehend in der Damentoilette. Als Susi endlich herauskam, hatte Manu bereits Sabines Outfit eingehend bewundert und in einem unbeobachteten Moment mit rascher Hand die Einhaltung der wichtigsten Regel kontrolliert. Aber auch Susi hatte sich — wenn schon, denn schon! — so hergerichtet, dass kurzfristig der Lärmpegel im Kaufhaus abzusinken schien, weil zumindest alle Männer im Umkreis die Luft anhielten. Eine weiße, offenherzig getragene Seidenbluse, die zumindest den Eindruck erweckte, sie trage darunter keinen Büstenhalter. Genau sehen konnte man das zwar nicht, aber die Phantasie schlug jedenfalls Purzelbäume. Schwarze High Heels und Netzstrümpfe boten einen höchst erotischen Anblick, der von einem extrem kurzen Rock getoppt wurde. „Wow!“, rief Manu, „Susi, du siehst richtig verboten aus! Nun kommt, ihr zwei Paradiesvögel! Kopf hoch, Brust raus! Lasst uns shoppen, euer hässliches Entlein braucht sexy Dessous!“

Von ‚hässlich‘ konnte natürlich keine Rede sein, auch in ‚nur‘ Jeans, Pulli und der knapp sitzenden Lederjacke aus Italien mit der Motoguzzi-Aufschrift war der kleine Rotschopf ein wahrer Hingucker. Erst recht, als die drei den ersten Laden enterten, der an der Ladenfront Büstenhalter und Tangaslips ausgestellt hatte. Denn Manu wollte alles auch zeigen, was ihr da angeboten wurde. Das sah zwar ein wenig merkwürdig aus, wenn sie die heißen Höschen über der Strumpfhose präsentierte — aus hygienischen Gründen durfte sie diese natürlich nicht auf nackter Haut vorführen — aber wenn sie hüftwackelnd vor ihrer Jury paradierte, gerieten schon ein paar Herren, die einen Blick darauf erhaschten, kurz aus dem Tritt. Leider war ihr das Angebot durchwegs zu bieder.

„Warum gehen wir nicht gleich zu Beate Uhse?“, regte Sabine an

„Weil wir da nicht rein dürfen?“, mutmaßte Manu. „Du schon gar nicht, du bist ja noch nicht einmal neunzehn.“ Das kam ein wenig herablassend, aber gleich fügte sie an: „Und ich bin so klein, dass mich sowieso jeder nach dem Ausweis fragt. Also vergiss es, es wird schon noch einen Laden geben. Inzwischen geben wir uns einen Cappuccino, oder?“

Dagegen war nichts einzuwenden, höchstens, dass Susi und Sabine in der ‚Latte-Bar‘ mit eng geschlossenen Beinen sitzen mussten, weil ihnen hier eine Kenntnisnahme ihrer Unten-ohne-Strategie erst mal eher peinlich gewesen wäre. Später, als ihnen bewusst wurde, dass sie dort locker hätten punkten können und ihre Beine vorsichtig spreizten, nahm kein Schwein Notiz von ihnen. Dafür spitzte Sabine die Ohren. Von irgendwoher erklangen Musikfetzen. Chuck Berry’s Uraltnummer Maybellene glaubte sie zu erkennen. „Ich geh‘ mal gucken, bin gleich wieder da!“ Sie verschwand, Susi und Manu gönnten sich noch einen Cappu.

Jailhouse

Sabine folgte den Rock ’n‘ Roll-Klängen und gelangte zu einer Art Arena. Dort war eine Bühne aufgebaut, die Musik kam aus riesigen Lautsprechern, die rechts und links davon aufgehängt waren. Mehrere Paare tanzten zur Musik, die inzwischen zu Rock around the clock gewechselt hatte. Es sah aber eher nach Training aus, manche übten immer wieder dieselben Passagen, andere verließen die Bühne, machte Platz für weitere Paare. Ein Rock ’n‘ Roll Turnier! Sabine war fasziniert, so etwas hätte sie auch gern mal in Ovenbuch bei ihrem Tanzclub erlebt. Sie vergaß Susi und Manu und ihr Versprechen, bald zurückzukommen, überließ sich den Rhythmen und fiel gleich in die Standardschritte. Versonnen tanzte sie vor sich hin, als eine Tür krachend aufflog und ein schlaksiger junger Mann hereinstürmte. „Scheiße, Scheiße, Scheiße!“, schrie er wild, rannte förmlich in Sabine hinein, die gerade in einer Drehung herumwirbelte. „Pass doch auf, du dumme Nuss!“, bellte er, ehe er Sabine auch nur eines Blickes gewürdigt hatte.

„Oh — äh — sorry!“, stammelte er, „ich wollte nicht so aggressiv sein, aber …“ Er rollte verzweifelt mit den Augen. „Aber Scheiße noch mal!“

„Was is’n los mit dir? Hat dir wer die Frühstücksflocken geklaut?“ Sabine war sichtlich noch ein wenig entrüstet.

„Nein, du, nicht wirklich. Entschuldige echt, es war nicht so gemeint. Ich wollte da mitmachen, bin extra aus Lübeck hergekommen und jetzt ist meine Partnerin nicht da!“

„Wie das denn?“

„Krank! Krank, einfach krank geworden ist sie! Ihr Vater wollte sie bringen, weil sie gestern schon vorausgefahren sind. Tante Geburtstag oder so. Dann hat sie sich wohl an den Torten überfressen und heute hängt sie über ‚m Klo und kotzt. Scheiße nochmal!“

„Hättet ihr denn gewinnen können?“

„Ach nee! Keine Spur von! Mitmachen ist alles. Manche hier machen das schon seit dem Kindergarten, Tessa und ich haben erst vor zwei Jahren angefangen. Schlecht sind wir nicht, aber gegen die Profis da haben wir nicht den Hauch einer Chance. Hätten wir nicht. Haben wir nicht, egal.“ Wieder rollte er verzweifelt seine Augen himmelwärts.

„Und jetzt?“

„Und jetzt? Und jetzt?“, äffte er Sabine nach. „Und jetzt fahr ich wieder heim. Zuschauen halt ich nicht aus. Einmal mitmachen, damit ich weiß, wo ich steh, das wär’s gewesen. Und jetzt? Nix!“

„Würdest du dich mit mir trauen?“ Sabine war erschrocken. Hatte sie das wirklich gesagt? Offenbar schon.

„Mit dir?“, fragte der Jüngling nämlich entgeistert.

„Äääh — ja — mit mir“, bestätigte Sabine tapfer, denn kneifen kam gar nicht in die Tüte. „Ich weiß zwar nicht, ob wir zusammenpassen, aber ich mach‘ den Sport auch schon über ein Jahr. Wenn wir keine zu komplizierten Figuren machen wollen, könnten wir das schon irgendwie hinkriegen. Wie heißt ’n du überhaupt, ich bin die Sabine.“

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