Vorwort allgemein _ Es ist an der Zeit, meinen Nachlaß zu ordnen. Aus den verschiedensten Gründen standen meine Geschichten auf unterschiedlichen Seiten mit wechselnden Pseudonymen. Nun möchte ich die Arbeit von Jahren bündeln. Eine Nachbearbeitung findet nur rudimentär statt. Viele Geschichten entstanden vor der „18-Jahre-Regel“. Dies werde ich natürlich ändern. Sollte trotzdem ein falsches Alter auftauchen, bitte eine Meldung an mich. Ich ziehe diese Story dann sofort zurück.

Vorwort speziell _ Die vorliegende Geschichte ist relativ neu. Geschrieben wurde sie um 2010 herum. Das Licht der Öffentlichkeit hat sie aber niemals erblickt.

Ich würde die Frau, die mich anschaut, durchaus als attraktiv bezeichnen. Gewiß, sie ist vor wenigen Wochen 50 Jahre alt geworden. Aber man könnte sie auch auf Anfang 40 schätzen. Die aschblonden Haare, durch einen exakt gezogen Mittelscheitel geteilt, fallen bis weit über ihre Schultern. Ein frecher Pony lenkt den Blick unwillkürlich auf ihre großen Augen. Lange Wimpern, weder künstlich noch getuscht, umrahmen ihren ausdruckstarken Blick. Die markant ausgeprägten Wangenknochen verleihen der länglichen Kopfform etwas Exotisches. Vielleicht auch Geheimnisvolles. Sie hat eine Allerweltsnase. Gerade, nicht gebogen. Weder zu schmal, noch zu breit. Weder zu lang, noch zu kurz. Die Lippen sind voll und auch ohne Lippenstift von intensiv roter Farbe. Gerade Schultern mit ausgeprägten Grübchen links und rechts vom Halsansatz. Die Brüste sind der Stolz dieser Frau. Absolut gleich was Form und Größe betrifft, sind sie trotz ihrer Schwere noch fest und hängen nur wenig. Die Haut der Warzenhöfe tendiert ins dunkelbraune und die runzeligen Warzen haben die Farbe und Größe von Kirschkernen. Ihre Büstenhalter haben, bis auf ganz wenige Ausnahmen, ein D-Körbchen. Sie hat trotz ihres Alters eine schmale Taille und feste Hüften. Der Bauch ist flach und zeugt von Disziplin und eisernem Training. Im Bauchnabel trägt sie ein Piercing, mit zwei kleinen Kügelchen, an den Enden eines gebogenen Stiftes. Ihr Venushügel ist leicht aufgeworfen, die Scham, wie auch die Lippen sorgfältig enthaart. Der Schlitz, der ihr Geschlecht teilt, zeigt sich als haarfeine Linie. Er gibt ihrem Schoß etwas Mädchenhaftes. Die Oberschenkel sind fest, die Beine lang und fast schon ein wenig zu dünn. Viele Stunden auf dem Tennisplatz haben ihre Spuren in Form leicht angedeuteter Muskulatur hinterlassen. In Schuhen mit hohen Absätzen ist dies an den Waden besonders gut zu erkennen.

„Wenn du dich noch weiter so präsentierst, dann bekomme ich Krämpfe“, mosert Susanne und tippt sich mit dem Finger gegen die Stirn. „Komm endlich ins Bett. Ich will schlafen.“

Ich drehe mich zur Seite und betrachte meinen Po im Spiegel. Der ist eher zu klein, als zu groß. Trotzdem reicht es aus, um in Jeans oder schmal geschnittenen Röcken einen sexy Hintern zu zeigen.

Susanne hebt breit grinsend eine Ecke des Federbettes an. Ich lösche das Licht und krieche zwischen die angewärmten Laken. Sofort rutscht Susanne an mich heran und schmiegt sich in meinen Arm. Der Vollmond wirft sein silbernes Licht ins Zimmer und ich sehe wie mich Susanne von der Seite anschaut.

„Was?“

„Sie sind bescheuert, Frau Doreen Winter.“ Sie äfft den nasalen Singsang des Portiers nach, bei dem wir eingecheckt haben.

„Besser als langweilig, Frau Susanne Winter.“ Ich füge dem nasalen Singsang die entsetzte Komponente hinzu, die der Portier an den Tag legte, als er uns den Schlüssel für das verlangte Doppelzimmer über den Tresen schob.

Nein, Susanne und ich sind keine Schwestern. Und ein Liebespaar sind wir auch nicht. Zwischen uns herrscht eine große Vertrautheit. Auf eine bestimmt Art und Weise auch Intimität, zugegeben. Aber wir sind einfach nur beste Freundinnen. Und das nun fast schon ein halbes Jahrhundert.

*

Unsere Freundschaft begann im zarten Alter von drei Jahren. Unsere Eltern wohnten im selben miefigen und verwahrlosten Haus. Susannes im zweiten Stock links, wir direkt daneben rechts. Während unsere Väter arbeiten, wechselten sich unsere Mütter mit Babysitten ab. Zur Essenzeit war es immer günstiger bei Susannes zu sein. Sie kochte viel besser als meine . Dafür konnten wir bei uns besser spielen, da bei uns nicht so auf den Lärmpegel geschaut wurde und wir (fast) tun und lassen konnten was wir wollten.

Für unsere Eltern war es ein Glücksfall. Nicht nur wir Mädchen verstanden uns prächtig, auch die Erwachsenen freundeten sich schnell an. Und so kamen beide Elternteile in den Genuß auch mal eine Nacht außer Haus bleiben zu können. Immerhin waren sie noch jung und wollten etwas erleben.

Susanne und ich teilten alles miteinander. Puppen und Klamotten, Mumms und Masern, Tisch und Bett. In einem leer stehenden Keller teilten wir uns sogar den ersten Jungen. Was wir da aber zu sehen bekamen war eher ekelig und fand nicht unser Interesse.

In der Hauptschule saßen wir zusammen in einer Bank. Und bei unserem ersten Schulausflug schliefen wir zusammen in einem Bett, weil wir beide Angst hatten vor den gruseligen Schatten, die unter der Decke hin und her krochen.

Im Gymnasium hielten uns die Klassenkameraden für lesbisch. Susanne und ich merkten schnell, daß das die Jungs ziemlich anmachte. Und so pflegten wir dieses Gerücht mit einer Inbrunst, daß wir manchmal fast selber daran glaubten.

Wolfgang, inzwischen waren wir alle volljährig, war ein stiller, in sich gekehrter Schöngeist. Sein ‚Guten Morgen‘ war ehrlich, seine Hilfsangebote weder schmierig noch anzüglich. Er brachte in Susanne und mir eine Saite zum schwingen, die uns bisher fremd war. Wir gingen zu Dritt zum Badesee, ins Kino, auf Partys. Er war unser Beschützer, unser Ritter in glänzender Rüstung. Heute glaube ich, das er es auf seine ganz persönliche, stille Art und Weise genossen hat, als der dazustehen, der den Lesben endlich gezeigt hat, wo der Hammer hing.

Wolfgang wohnte mit seinen Eltern in einer schicken Villa. Rund um das Haus liebevoll gepflegte Beete, ein Garten, so groß, daß man sich darin verlaufen konnte. Seine Eltern waren übers Wochenende nicht zu Hause. Es waren unsere letzten Sommerferien, bevor das Abitur uns in alle Winde zerstreuen würde. Susanne und ich lagen mit unseren winzigen Bikinis auf Sonnenliegen und ließen uns von Wolfgang mit Säften und Früchten verwöhnen. Wir rauchten wie Erwachsene und kicherten wie Kinder. Bis am frühen Abend schwere Gewitterwolken den Himmel bedeckten und die aufziehende Schwüle auf unsere Stimmung überschlug. Als die ersten Regentropfen uns erreichten, liefen wir kreischend ins Haus. Direkt in Wolfgangs Zimmer hinein. In dieser Nacht verloren Susanne und ich unsere Jungfräulichkeit. Und Wolfgang selbst wurde zum Mann.

Susanne und ich studierten Germanistik und Literaturwissenschaft an derselben Universität. Wir teilten uns eine kleine Studentenwohnung, ein Auto und tauschten wie wild unsere Klamotten hin und her. Ich hatte zwar eine Körbchengröße mehr zu bieten, aber das war nicht wirklich ein Problem. Wir schliefen in einem großen Bett, saßen zusammen in der Badewanne, quetschten uns laut gackernd gemeinsam in die viel zu kleine Duschkabine und halfen uns die Härchen zu rasieren, an die man alleine nicht gut herankommt. Und immer noch waren wir kein Liebespaar.

Gemeinsam teilten wir uns Fabian, Günter, Wilhelm, Andreas und wie sie noch alle hießen. Bis wir auf einer Party Max Winter und seinen Bruder Moritz kennen lernten. Eineiige Zwillinge, frisch gebackene Anwälte, charmante Begleiter und traumhaft gut aussehende Männer. Als wir das erste Mal ihre Namen hörten, brachen wir in schallendes Gelächter aus. Meine Wahl fiel auf Moritz. Susanne ließ sich von Max nach Hause führen. Die beiden teilten sich, wie wir, eine Wohnung. Wenn auch ungleich größer und richtig schick eingerichtet.

Im direkten Vergleich zu meinen bisherigen Liebhabern war Moritz ein Gott. Ein Übermann. Ein Zauberer und Magier. Egal ob er zwischen meinen Schenkeln abtauchte, hinter mir kniete, oder mich mit seinem Gewicht in die Matratze preßte, ein ums andere mal erreichte ich meinen Höhepunkt. Als ich fertig mit der Welt in seinen Armen lag und mit matter Stimme flüsterte:

„Du bist mein ganz persönlicher Held, Moritz“, da antwortete er mit einem breiten Grinsen auf den Lippen:

„Ich bin aber der Max, Liebes!“

Die beiden haben uns immer wieder an der Nase herumgeführt. Ob sie das dann nur vorgaben, oder tatsächlich ausgeführt hatten, blieb ein ums andere Mal offen. Einmal zerkratzte ich Moritz‘ Brust mit meinen Fingernägeln, bis kleine Blutströpfen aus seiner Haut sickerten. Dachte ich beim Einschlafen noch den Stein des Weisen gefunden zu haben, überraschte mich am nächsten Morgen der Anblick zweier zerkratzter Männerbrüste zutiefst. Wieder einmal hatten uns die Mistkerle ausgetrickst.

An ihrem 25igsten Geburtstag führen uns Moritz und Max vor den Traualtar. Ich heiratete Moritz, Susanne Max. In diesem Moment war ich mir meiner Wahl hundertprozentig sicher. Nach der Hochzeitsnacht allerdings schon nicht mehr so sehr. Eine winzige Kleinigkeit hatte mich stutzig werden lassen. Aber vielleicht spielten mir auch nur die Nerven einen Streich. Der Gedanke aber, in der Hochzeitsnacht schon fremdgegangen zu sein, hatte etwas pervers Anregendes.

Unsere Männer waren nicht nur gut zu uns, sie waren auch hervorragende Anwälte. Und so bot sich bald die Gelegenheit in ein eigenes Haus zu ziehen. Muß ich es noch extra erwähnen? Die Brüder kauften jeweils eine Doppelhaushälfte, die Gartenzäune wurden herausgerissen und die Gärten zusammengelegt. Während die Männer die besten Plätze für Schaukeln und Sandkasten für den Nachwuchs ausspähten, saßen Susanne und ich auf der Terrasse und überlegten, wie wir die beiden endgültig markieren könnten. Daß sie uns — zumindest gelegentlich — immer noch an der Nase herumführten, konnten wir beweisen. Na ja, fast jedenfalls. Meine Idee einer unverwechselbaren Tätowierung hatten sie aber schon abgelehnt. Wen wundert’s?

„Ich beiße Max einfach ein Stück vom Ohr ab“, sagte Susanne mit todernstem Blick.

„Mach das bloß nicht! Dann müßte Max Moritz auch ein Stück abbeißen.“ Ich bekräftige mich mit einem Nicken. „So bescheuert sind die.“

„Auch wieder wahr.“

Es war ein kalter und regnerischer Novemberabend, als unser gemeinschaftliches, bis dahin so ruhiges Leben eine jähe Wendung nahm. Susanne und ich saßen vor dem Fernseher und schauten uns einen Film an, als es bei mir klingelte. Ich ging durch den Durchgang rüber in meine Haus. Unsere Männer hatten noch vor unserem Einzug die verbindende Mauer der beiden Häuser durchbrechen und eine massive Tür einbauen lassen. Die war zwar abschließbar, stand aber die meiste Zeit offen oder war nur angelehnt.

Der Anblick zweier bis auf die Haut aufgeweichter Polizisten ließ das Blut in meinen Adern stocken.

„Sind sie Frau Doreen Winter?“

„Ja?“ Meine Stimme war so dünn, als ob mir jemand den Hals zudrücken würde.

„Dürfen wir einen Moment hereinkommen? Bitte.“

„Natürlich. Ja.“ Ich öffnete die Tür weiter und ließ die beiden tropfenden Männer herein.

„Wir haben bei Ihnen geklingelt, aber Frau Susanne Winter betrifft das ebenfalls. Wissen Sie ob sie zu Hause ist?“

„Ja. Sie ist da. Wir haben gerade ferngesehen.“

„Können Sie sie vielleicht herüberbitten?“

Ich ging zur Tür und winkte Susanne zu. „Kommst du mal. Da sind zwei Herren von der Polizei.“

„Polizei?“

Ich nickte und hakte mich ängstlich bei Susanne ein.

„Vielleicht setzen Sie sich lieber.“

Der Ältere der beiden gab sich alle Mühe, aber als wir endlich begriffen, daß unsere Männer nie mehr zu uns zurückkommen würden, fielen Susanne und ich uns laut schluchzend in die Arme. Wir heulten Rotz und Wasser, und ich erinnere mich noch schwach an den Notarzt, wie er meinen Ärmel hochschob und eine Nadel in meinen Arm stieß.

Im Krankenhaus lagen Susanne und ich im gleichen Zimmer. Welch eine Ironie!

Die nachfolgenden Wochen waren ein einziger Albtraum. Die Beerdigung zog an mir vorbei wie eine Fata Morgana im Nebel. Ich wurde apathisch, lag den ganzen Tag im Bett und heulte. Eines Morgens zog mich Susanne mit Gewalt ins Badezimmer und nötigte mich auf die Waage zu steigen. Während ich die ausgemergelte Karikatur einer Frau mit blau unterlaufenen Augen und hängenden Sacktitten im Spiegel sah, schrie Susanne hysterisch auf:

„Was? Unter 45? Du spinnst wohl!“

KLATSCH! KLATSCH! Mit zwei Backpfeifen riß mich meine Freundin lange genug aus meinem Dämmerzustand, um zu begreifen, was sie sage:

„Entweder, du fängst wieder an zu essen, oder ich lasse dich einweisen!“

Also begann ich, unter ihrer strengen Kontrolle, wieder mit der Nahrungsaufnahme.

Darf man das überhaupt sagen? Glück im Unglück haben. Unsere Männer hatten bei Vertragsabschluß darauf geachtet, daß bei ihrem Ableben eine Versicherung die Restschuld tilgt. Mit einem Schlag waren wir Schuldenfrei. Zumindest diese Sorge blieb uns erspart, wenngleich andere folgen sollten. Aber auch diese meisterten Susanne und ich. Selbst mein Gewicht stieg langsam wieder an, wie meine Freundin stolz auf ihrem Zettel vermerkte.

Das alles liegt jetzt über 20 Jahre zurück. Wir wohnen immer noch in unseren Häusern, haben aber nie mehr geheiratet. Überhaupt war das Thema Männer für lange Zeit eben kein Thema mehr. Danach schon mal gelegentlich, aber weder für Susanne, noch für mich war jemals etwas Ernstes dabei. Unser Bedürfnis nach Zärtlichkeit und Nähe stillten wir zu Zweit. Aber eine wirklich lesbische Beziehung war das auch nie.

Ich verarbeitete meinen Schmerz in einem Buch. Als es auf Susannes unermüdliches Drängen hin ein Verleger lesen durfte, war eine Veröffentlichung nicht mehr aufzuhalten. Heute gelte ich als eine Ikone der Frauenliteratur. Na ja.

Susanne arbeitet in dem Verlag als Lektorin, in dem meine Bücher erscheinen. Spezialisiert auf Fachbücher mit Schwerpunkt Juristik ist sie hoch angesehen. Und das weit über unsere Landesgrenzen hinaus.

*

Ich lasse Susanne den Vortritt. Immerhin ist sie die Ältere von uns beiden. Wenn auch nur ein Monate. Wie immer dauert es ewig, bis sie im Bad fertig ist und ich den Platz vor dem Waschtisch einnehmen kann. Während ich mir die Zähne putze, höre ich meine Freundin die Koffer packen.

„Rock oder Hose?“

„Rock“, rufe ich und produziere dabei Zahnpastablasen auf meinen Lippen.

„Top grün oder weiß?“

„Weiß natürlich.“

Susannes Kopf erscheint im Türrahmen:

„Unterwäsche ja oder nein?“

Als Antwort werfe ich einen nassen Waschlappen nach ihr, der sie leider verfehlt.

„Also nein.“

„Untersteh dich!“

Wir haben das Zimmer nur für eine Nacht gebucht. So schnell es geht wollen wir die stinkende und lärmende Metropole verlassen. Und wir haben erreicht was wir wollten. Ich einen Dreibuchvertrag, Susanne die Rechte an einer Gesetzessammlung. Arbeit und Auskommen für schätzungsweise drei Jahre. Während wir frühstücken wird unser Gepäck in unseren Wagen gepackt.

Das Fahren ist meine Sache. Und das ist auch gut so, denn mit Susanne am Steuer müßten wir noch eine weitere Übernachtung einplanen. Ich aber liebe es die vielen Pferdchen unter der Motorhaube zu kitzeln und den Wagen über die linke Spur fliegen zu lassen. Entspannt sitzt Susanne auf dem Beifahrersitz. Ängstlich wird sie erst dann, wenn sie mal selbst hinters Steuer muß.

Nach 100 Kilometer Schweigen denke ich das der richtige Zeitpunkt gekommen ist:

„Hast du noch einmal über meinen Vorschlag nachgedacht?“

„Ich will keinen Mann im Haus. Jedenfalls keinen, der fest bei uns wohnt.“

„Das wäre aber kein Mann, das wäre ein .“

Mitleidvoller Blick vom Beifahrersitz: „Ach. Sind Studenten neuerdings keine Männer mehr?“

„Aber wie soll ich über etwas schreiben, von dem ich überhaupt nicht weiß wie es sich anfühlt.“

„Ich dachte, Schriftstellerinnen haben so viel Fantasie?“

„Auch“, gebe ich zu. „Schon.“

„Siehste.“

„Ach komm schon. Das wird bestimmt lustig.“

„Aber ich schließe die Verbindungstür ab“, droht Susanne.

„Glaubst du im Ernst, der würde zu dir ins Bett gekrochen kommen?“ Irgendwie erheitert mich diese Idee und ich lache kurz.

„Ich kriege jeden ‚rum den ich haben will.“ Susanne legt ihre Hände unter die Brüste und läßt sie aufreizend wippen.

„Ich denke du willst gar nicht?“

„Will ich ja auch nicht. Menno! Du drehst mir schon wieder die Worte im Mund herum.“

„Tu‘ ich nicht.“

„Doch. Tust du.“

Eine Minute Pause. Dann:

„Halt mal an. Ich muß pissen.“

„Manchmal bist du so schrecklich ordinär“, grinse ich in ihre Richtung. „Das liebe ich so an dir.“

Lauter: „Ich muß pissen!“

„Sofort?“ Kurz lupfe ich das Gaspedal.

„Nächste Raststätte natürlich.“ Meine Freundin schüttelt den Kopf. „Manchmal bist du so was von doof. Das liebe ich so an dir.“

Unentschieden!

Wir lachen und ich setze den Blinker.

*

Der Zettel am Schwarzen Brett der juristischen Fakultät hängt keine zwei Stunden, und schon klingelt das Telefon. Eine männliche Stimme. Jugendlich, zurückhaltend, fast schüchtern.

Ob das Zimmer wohl noch frei ist?

Ja!

Ob er seine Mutter zum Besichtigungstermin mitbringen dürfe.

Natürlich. ‚Wie süß‘, denke ich.

Ob er heute Nachmittag vorbeikommen dürfe.

Selbstverständlich.

*

Sven Meermann kommt in Begleitung seiner Mutter. Devot stehen beide vor meiner Haustür, wissen im ersten Moment nicht was sie sagen sollen.

„Ich befürchte, wir haben uns in der Adresse geirrt“, stammelt die Frau, die ganz offensichtlich aus einfachen Verhältnissen stammt. Sie wirft einen schnellen Blick nach links und rechts.

„Sie sind bestimmt Frau Meermann? Und das Ihr Sven?“

Sie nickt, schaut noch einmal auf den Zettel in ihrer Hand, dann die Fassade hoch.

„Und Sie vermieten Studentenzimmer?“ Ungläubigkeit liegt in ihrer Stimme.

„Genau genommen ist es kein Zimmer, sondern das ausgebaute Dachgeschoß. Aber kommen Sie doch erst einmal hinein.“

Die beiden bleiben im Flur stehen. Werfen sich stumme Blicke zu.

„Möchten Sie vielleicht einen Tee? Und Sie junger Mann: Eine Cola?“

„Das wäre wirklich sehr nett von Ihnen.“

Ich bitte sie am Küchentisch Platz zu nehmen, reiche Sven eine Flasche Cola und ein Glas dazu. Während der Tee zieht, setze ich mich mit an den Tisch.

„Ich glaube, da liegt ein ziemlich großes Mißverständnis vor, liebe Frau Winter.“ Ihr Blick ist offen und ehrlich. Und ziemlich betrübt. „Ich suche für meinen Sohn ein kleines Zimmer.“ Ihre Stimme wird deutlich leiser. „So etwas“, sie macht eine fahrige Handbewegung, „können wir nicht bezahlen.“

Ich reiche Zucker und Milch und stelle eine Schale mit Gebäck auf den Tisch. Sven schaut mich mit starrem Blick an. Als sich unsere Blicke für einen Sekundenbruchteil kreuzen, schießt ihm das Blut in den Kopf.

„Ach, wissen Sie, Frau Meermann. Ich vermiete nicht wegen des Geldes. Ich will nur etwas von dem zurückgeben, was mir vor langer Zeit gegeben wurde. Sagen wir einfach, ich trage eine Schuld ab. Und wie könnte ich das besser, als einem jungen Mann die Chance zu geben, etwas aus sich zu machen. Und ich glaube schon, daß Ihr Sven diese Chance verdient hat. Oder was meinen Sie?“ OK.

Das war jetzt ziemlich dick aufgetragen, aber es funktionierte, wie ich an Frau Meermanns Augen sofort sehe.

„Da haben Sie Recht, Frau Winter. Er ist so ein lieber Junge. Und so fleißig.“ Als sie ihrem Sven mit der flachen Hand über die Haare streicht, befürchte ich einen kurzen Moment sein Kopf würde platzen.

„Wollen Sie beide sich mal anschauen, wie es da oben ausschaut?“

Ich zeige Frau Meermann und ihrem Sohn das ausgebaute Dachgeschoß. Schlafzimmer, Wohnzimmer, Badezimmer mit Dusche, eine kleine Küchenzeile. Gut 60 Quadratmeter, die aber nicht richtig zählen, weil die Schrägen bis fast auf den Boden reichen. Lautlos ziehe ich mich zurück, grinse über die ‚ahs‘ und ‚ohs‘, die jeden ihrer Schritte begleiten.

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