Unbequem.

Meine Haltung ist verdammt unbequem, irgendwie hänge ich über etwas.

Ein Schwanz rammt sich in meine Spalte. Ich will nach hinten treten, meine Füße sind festgebunden, in meinen Bauch drückt sich die Rückenlehne eines Stuhls. Ein Seil um meinen Kopf fixiert mein Haupt seitlich auf der Sitzfläche. Meine Hände sind an die Stuhlbeine gebunden, merke ich, als ich mich panisch loswinden will.

„Aufhören!“, schreie ich, aber nur unartikuliertes Grunzen ist zu hören.

„Die Sau wird wach!“

Welche Sau?

Wer wird wach?

Ein brennender Schmerz schießt durch mein Hinterteil, ein Schlag. Ich fluche, wieder ist nur grunzen zu hören, in meinen Mund steckt etwas. Mit der Zunge will ich es rausdrücken, fühle nur eine unbewegliche Kugel. Wütend winde ich mich hin und her, werde von den Fesseln gebremst, statt schreien und fluchen kann ich durch den Knebel nur stöhnen. Bilder zwingen sich in mein Hirn, abstrakt und unrealistisch. Nur langsam dringt zu mir durch, dass es sich um die Realität handelt. Neben mir, an der Wand sitzen meine Freunde auf zwei Kisten, nackt, gefesselt und auch mit einem Knebel im Mund. Ihre Köpfe aufrecht an einem Brett hinter ihren Rücken gebunden, atmen sie röchelnd.

Helles Licht verschlimmert meine Kopfschmerzen. Meine Spalte pocht. Meine Füße sind eiskalt, stehen auf nacktem Beton. Ein kalter Luftzug verursacht mir Gänsehaut.

„Hey, Schlampe! Jetzt zeigen wir dir was ficken ist!“, grölt eine verzerrte, mechanische Stimme gehässig.

Und doch weiß ich, wer es ist. Ich weiß, was er schon seit Tagen rumerzählt. Panisch zerre ich an den Seilen, erreiche nur, dass ich mir wehtue. Sie sind roh, schneiden mit jeder Bewegung, die ich mache, tiefer in meine Haut. Wimmernd höre ich auf, zwinge mich dazu ruhig und regelmäßig zu atmen.

„Aber erst die Schlappschwänze aufwecken, die sollen alles genau sehen“, fügt das Arschloch an.

Der Schwanz verschwindet, hinter mir höre ich leise Schritte, mehrere Personen. Zwei Wasserschwalle landen auf Fox und King, es klirrt, Eiswürfel schlittern bis unter meinem Stuhl. Fast simultan reagieren sie, öffnen die Augen, schütteln sich, versuchen zu reden, aufzustehen und sehen sich panisch um. Genau wie ich reagiert habe. Nach wenigen Sekunden haben auch sie die Situation erfasst und ihre Blicke ruhen auf mir, schießen ab und zu zu den Schweinen. Ich habe keine Ahnung wie viele da sind, habe nur eine Stimme gehört. Fox interpretiert meine hochgezogenen Augenbrauen richtig und sieht vier Mal von mir zu einer anderen Stelle hinter mir. Kurz schließe ich meine Augen, sehe dann wieder Fox an.

Und jetzt? Haben die vier Ärsche tatsächlich im Sinn mich zu vergewaltigen? Was heiß, „haben sie vor“? Sie haben schon angefangen…

„Nachher wirst du dein großes Maul halten, Arschkriecherin! Wenn wir fertig sind, hast du nichts mehr zu melden!“

Ein Schwanz dringt gewaltsam in mich, so brutal, dass meine Schamlippen mit reingedrückt werden und ich ein Stöhnen nicht zurückhalten kann. Eine Träne rinnt über meine Nasenbrücke ins andere Auge. Zwei, drei mal kneife ich meinen Augen zu, verbeiße mich zugleich im Knebel. Ich werde kein einziges Geräusch mehr von mir geben. Meine Augen richten sich auf Fox, starr sehe ich ihn an.

Der vorletzte Sommer. Mit dem Pfingstlager unserer Pfadfindergruppe fing es an. Eines Abends unter den Sternen.

Ich atme so gleichmäßig, wie mir möglich ist, ein und aus. Zwinge meine Gedanken von hier weg. Fox‘ Augen, das Pfingstlager, unser erstes Mal. Die verdammte Zecke die sich neben meine Muschel eigegraben hatte und die ich allein nicht rausbekam… So, wie er zuerst gelacht hatte, als er mich schreiend im nachtdunklen Wald fand, mich anleuchtete, so zärtlich hatte er das Vieh entfernt und die anderen zwei auch. Mich getröstet, geküsst. Und dann…

„Ihr sollt zusehen! Macht die Augen auf, oder ich klebe sie fest!“

Mir hatte es gut getan, als King und Fox ihre Augen schlossen, ihr Mitleid ertrug ich nicht mehr; jetzt schließe ich meine, als sie ihre wieder öffnen. Unaufhörlich pumpt der Schwanz in mein Innerstes. Wie sind wir hier gelandet? Das letzte, an das ich mich erinnere, ist, dass wir in der Kneipe ein Bierchen tranken. War ja Freitagabend, und wir hatten uns einen Film angesehen, nachher Lust auf ein Bier und Pommes gehabt. Die Unbelehrbaren waren auch da gewesen und hatten sich zu uns gesetzt. Sie hatten uns ausgefragt, wie es bei uns in der Pfadfindergruppe so ginge, mit den Ausländern.

„Wie es schon seit Jahren geht: Gut!“, hatte ich gesagt. Mehrmals hatte wir denen erklärt, dass wir nicht aufgehört haben Weihnachten zu feiern, damit die nicht-Christen nicht beleidigt sind, sondern zum Beispiel auch direkt nach dem Zuckerfest eine Gruppenstunde abhalten, wo dieses Fest gefeiert wird. Aber immer wieder hatten sie darauf rum geritten, dass wir nichts von Integration verstanden, Rechts waren. So ein Blödsinn! Der Gipfel war erreicht, als sie sich laut fragten, was rechts-gerichtete im Sozial-Pädagogik Studium verloren hätten, dies auch immer wieder im Unterricht zum Thema machten. Da fuhren wir unser Sarkasmus-Schiene aus.

Vor ein Wochen hatte ich den größten Depp so richtig fertig gemacht.

„Ich ficke jedes Arschloch!“, hatte er geprahlt. „Egal wie alt, wie Fett, der Arsch ist immer gut!“

Wir saßen am Tisch hinter ihnen und hatten die ‚Konversation‘ die zu dieser Aussage führte, leise mit anderen kommentiert.

„Männerärsche sind ja bekanntlich besonders knackig „, hatte eine dann laut gefeixt.

„Sau! Ich bin nicht schwul!“, hatte der Depp durch die Mensa geschrien.

„Du hast gerade selber gesagt, dass du jedes Arschloch fickst. Arschloch ist Arschloch“, hatte ich lapidar gesagt, „wo ist da der Unterschied? “ Die Schimpfkanonade an meine Adresse, die er losließ, ging in lautem Gelächter unter.

Seitdem hatte Krieg geherrscht. Immer mehr zogen sich von ihm und den seinen zurück, nur ein paar hielten zu ihm. Seine drei Ja-Sager und ein paar, die auf seine Multikultli-Masche aufgesprungen waren. Das Fox, King und ich eine WG formen, war ein Zeichen das ich eine Hure, die es mit beiden trieb und somit eine Schlampe war.

Der Schwanz ist fertig. Erleichtert entspanne ich meine Hände, die ich um die Stuhlbeine geklammert hatte. Eine Hand reicht um meinen Körper rum und knetet nacheinander meine Brüste. Versteift lasse ich es über mich ergehen, kann aber die Schauer aus Ekel, die mich zittern lassen, nicht unterdrücken.

„Hey, die Hure genießt!“, ruft er hämisch. „Sieh mal wie die Zitzen steif sind!“

Schläge landeten auf meinen Backen, und wieder behauptete er, dass mir das gefiel, mein Stöhnen zeige das deutlich, meinte der Idiot.

„Bekommst du endlich was du dir schon immer gewünscht hast, Schlampe? Wir werden dich so durchficken, das du es nie vergessen wirst!“

Fox und King fixieren das keuchende Arschloch, das mich verprügelt. Ich umklammere wieder das Holz, konzentriere mich darauf, möglichst nicht zu stöhnen und zwinge meine Gedanken wieder von hier weg.

Das Bier. Sie mussten uns etwas ins Bier geschüttet haben, aber wie? Sie hatten sich nur kurz zu uns gesetzt, waren gegangen da wir nicht auf ihre Pöbeleien eingingen und über den Film redeten. Das Erste Mal. Fox der so schnell kam, als er in meine Muschel glitt. Zweimal hatte er gestoßen und da spritzte er den Pariser voll.

Alle Einzelheiten dieser Nacht kommen hoch, laufen wie ein Film vor mein inneres Auge ab.

„Wer holt morgenfrüh das Brot?“ hatte er in meine Ohren gestöhnt.

Völlig baff hatte ich gesagt, dass das King machen würde.

„Gut“, hatte er zufrieden gestöhnt, „dann kann der neue Pariser bei der Tanke kaufen, ich hatte nur einen.“

Ich konnte mein Kichern kaum unterdrücken, als ich fragte, ob ich dann so lange warten müsste.

„Nein, muss doch deine Muschi noch mal auf Zecken kontrollieren“, hatte er geflüstert.

Und wie er kontrolliert hatte! Mit Augen, Finger und Zunge. Zärtlich hatte er mich gestreichelt, nachdem er den Pariser in eine Ecke geschmissen hatte. Seine Fingerspitze auf meine Knospe, seine Zunge an meiner Haut.

Die Schwänze haben mehrmals gewechselt, wenn ich die Augen öffne, ist mein Blick auf Fox Augen gerichtet. Meine Blase ist voll. Die Nacht mit Fox verschwindet, es gelingt mich nicht mehr, sie wieder aufleben zu lassen. Die Kälte lässt mich zittern, die Stuhllehne drückt in meinen Bauch, mit jedem Stoß reklamiert meine Blase. Auch dieser Schwanz ist mal fertig und endlich kann ich mich so gut wie möglich entspannen. King und Fox sehen mich an. Sie zwinkern erleichtert und ermutigend, Zigarettenrauch dringt in meine Nase. Und jetzt? Sie sind fertig, binden sie uns los, oder lassen sie uns hier in diesen Rohbau, Gott weiß wo?

Und nachher? Polizei? Sie hatten Pariser an. In mir, auf mir sind keine Spuren. Nur eine Stimme ist zu hören, dazu verzerrt. Fox und King werden aussagen, mich bestätigen, aber wird das genügen? Muss ich bei der Polizei und vor Gericht alles aus dieser Nacht wieder erleben, obwohl ich die ganze Zeit versuche, es eben nicht zu erleben? Lieber würde ich sie höchstpersönlich Brandmarken.

„Das Finale, Schlampe! Das wird sie noch mal hochjagen, seht genau zu, Arschlöcher!“

Was soll das sein? Was versteht der Arsch unter Finale? Panisch reiße ich die Augen auf, sehe ich zu Fox und King, genau so panisch sehen sie mich an. Dann schießen ihre Blicke wild durch den Raum, von mir zu dem Arsch hinter mir, wieder zu mir.

Wütend schreien sie in ihren Knebeln, was meine Panik nur vergrößert. Kaltes, Glitschiges rinnt zwischen meine Hinterbacken.

„Ich würde dir lieber auf deinem Arsch rotzen, aber das ist leider keine Option, Schlampe, das versteht dein Spatzenhirn sicher auch.“

Weg! Ich muss weg. Die Nacht, als Fox und ich sturmfreie Bude hatten. Da muss ich hin. Nicht im Zelt, in meinem Bett. Ohne das noch irgendjemand zu Hause war. Wir hatten beim Italiener Pizza gegessen. Vino frizzante getrunken. Dann waren wir Arm in Arm nach Hause gelaufen, hatte den Umweg durch den Park genommen, auf einer Bank geknutscht.

Schmerz zerreißt mich. Weg! Knutschen auf der Parkbank, mit Fox. Seine Arme um mich, sein Mund auf meinem. Der wilde Tanz unserer Zungen. Unser Keuchen, die Liebkosungen, die wir uns zuflüsterten.

Wieder der Schmerz, noch schlimmer. Weg! Fox! Fox! Michael! Ich kann mein Wasser nicht halten.

„Sieh wie die abgeht!“, triumphiert er. Er kneift in meine Brüste. Zieht an den Nippeln.

Weg!

Langsam öffne ich meine Augen, sehe wie Fox Tränen wegzwinkert und er und King beide an ihre Fesseln zerren.

„Na Schlampe? War das etwa dein erster Arschfick? Schade, das du mir nicht sagen kannst, wie gut es dir gefallen hat“, grient er. Plastik rasselt, Fußschritte verschwinden hinter mir. Mein Hinterteil, der Schließmuskel tut weh.

Tränen rinnen aus meinen Augen.

Nach einer endlosen Zeit reißt mich ein Automotor aus meinem Dämmerzustand. Dann Schritte, feste Schuhe, Stimmen.

„Hier soll was passiert sein?“, nölt eine.

King und Fox brüllen was sie können, ich höre es mir unbeteiligt an.

„Mach schon, „nachsehen“ war der Auftrag, also sehen w… Heiliger Scheiße! Ruf den Notarzt, weibliche Kollegen, Mach!“

Rennende Schritte kommen auf mich zu, eine Hand legt sich an meinen Hals, die Stimme will wissen was passiert ist, ob ich wach bin, ob es mir gut geht. Zitternden Fingern lösen den Knebel.

„Zu euch komme ich sofort, sie ist schlimmer dran, Heinz! Isodecken!“

„Notarzt und Kollegen sind unterwegs. Scheiße. Schnell, leg sie hierhin.“

Ausgestreckt liege ich auf dem Boden, etwas wird über mir zusammen geschlagen. Ich ziehe mich zusammen, rolle mich ein.

„Wie geht es Ihnen? Nicht schlapp machen jetzt, hierbleiben, können Sie erzählen was passiert ist? Wenigstens, wie viele hier waren, wie sie aussahen? Alles andere können Sie den Kolleginnen nachher erzählen.“

„Duschen“, murmle ich. „Ich will mich waschen.“

„Nachher, erst kommt der Notarzt.“

„Re! Ich will zu Re!“

„Schon gut, Sie können sich neben sie setzen, wenn sie das will. Wie heißt sie? Wie heißen sie?“

„Er heißt Michael Fuchs, ich bin Rudi-Kevin Inglin, Re?“

Arme umschlingen mich, Fox zieht mich an sich. King reibt meine Füße.

Sie reden, mit mir, miteinander, mit den Polizisten. Noch zwei Mal sage ich, dass ich duschen will, dann kommen andere Stimmen, weibliche auch, die auch alles Mögliche wissen wollen. Hände betatschen mich, ziehen mich aus Fox Armen.

„Untersuchen werden wir Sie im Krankenhaus. Körperlich scheint alles soweit i.O. zu sein, außer eine leichte Unterkühlung, nehmt ihr die Herren mit?“

„Nein“, schreie ich. „Ich will nach Hause! Ich will duschen!“

„Später, im Krankenhaus werden Sie gewaschen, das verspreche ich Ihnen.“

Plötzlich bin ich ganz da.

„Nein, ich will duschen. An mir und auf mir sind keine Spuren. Sie haben Kondome benutzt, hatten Handschuhe und eine Art Overall an.“

Wieder wird durcheinander geredet, Fox und King bestätigen meine Aussage. Erzählen, dass alles auf einer Plastikplane stand, und dass sie die mittgenommen haben, dass sie Strumpfhosen über den Kopf gezogen hatten. Trotzdem werde ich mit den Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht, wo man mich untersucht und Abstriche nimmt.

„Wen können wir für Sie anrufen? Möchten Sie, dass wir ihre , oder eine anrufen?“, fragt eine Frau.

„Fox. Ich will Fox und King, dann nach Hause zum Duschen.“

„Es wäre besser, wenn sie übernacht hierbleiben“, sagt die gleiche Frau. „Die Polizistinnen warten auf ihre Aussage“, fügt sie freundlich hinzu.

„Ich will hier weg!“, schreie ich. „Ich will nach Hause. Ich will duschen. Ich will in mein Bett liegen. Ich will Fox und King. Ich will hier weg“, wiederhole ich, leiser jetzt.

„Sie sind volljährig“, sagt die Frau etwas missbilligend. „Sie können natürlich darauf bestehen, dass wir Sie entlassen.“

Ich seufze.

„Dann bestehe ich hiermit darauf. Lassen sie Fox und King holen, oder muss ich die suchen?“

Endlich sind wir zu Hause. Ich dusche, bis sie mich aus der Dusche holen, abtrocknen, Shirt und Boxers anziehen und mir auf mein Bett helfen.

„Hierbleiben“, verlange ich, als sie gehen wollen.

„Fox bleibt, ich dusche, dann komme ich, er geht duschen und dann bleiben wir hier, okay?“

Ich nicke. Sehe erst dann, dass beide, wie ich, Verbände um Fuß- und Handgelenke haben. Fox ist schon dran, meine durchweichten weg zu schneiden. King kommt mit unserem Verbandskasten.

„Eigentlich hatte ich nur den schnell holen wollen“, grinst Fox.

„Mach nicht wieder was rum, lass es trocknen“, sage ich, meine Handgelenke vor meine Augen hin und her drehend.

„Als du mit dem Skateboard geflogen bist, sah es schlimmer aus“, tröstet er mich.

„Dein Rücken auch, als du den Berg runter geschlittert bist“, gebe ich zurück.

„Genau, das haben wir überlebt, dies werden wir auch überleben“, sagt er bestimmt. „Willst du, dass ich Roman anrufe?“, fragt er vorsichtig.

Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich während der ganze Zeit nicht einmal an meinem gedacht habe. Nachdenklich schüttle ich meinen Kopf.

King kommt, und setzt sich an meine andere Seite. Ich schneide seine Verbände weg, Fox geht sich duschen.

„Soll ich Simi anrufen?“, fragt King leise. „Willst du deine hier haben?“

„Willst du sie hierhaben?“, frage ich genau so leise.

„Noch nicht unbedingt“, sagt er, „muss erst ein bisschen verdauen.“

„Ich auch.“

Schweigend streckt er sich neben mir aus. Erst als Fox reinkommt, richtet er sich auf, und befreit ihn von den Verbänden.

„Froh, dass ich die los bin“, seufzt Fox. „Die störten mich.“

Ich nicke.

„Denke nicht, dass ich vorläufig Lust habe ein Armband anzulegen.“

Eine Weile liegen wir ohne etwas zu sagen neben einander.

„Was sagen wir morgen der Polizei?“, möchte King mit einem Mal wissen.

„Was wir heute auch schon gesagt haben“, bestimme ich. „Ob ich will oder nicht, wenn sie denen was nachweisen können, muss ich vor Gericht.“

„Müssen sie vor Gericht“, verbessert Fox.

„Nein! Muss ICH vor Gericht“, fahre ich ihn an. „Darauf habe ich keine Lust! Ich will Rache und dann vergessen. Nicht ewig daran erinnert werden“, schluchze ich.

In einen anderen Arm weinen wir. Versichern einander, dass wir vergessen werden, dass alles gut ist, gut werden wird.

„Deine Schreie, Re, ich…“

Wir umarmen einander, rotze läuft uns aus der Nase, wieder und wieder versprechen wir einander, dass alles gut wird, dass wir es vergessen werden.

„Hätte lieber mich im Arsch ficken lassen, als zusehen wie sie dir…“

Wenn eine sich beruhigt hat, legt ein anderer wieder richtig los. Gegen Morgen schlafen wir völlig erschöpft ein.

Fast zugleich werden wir wach, richten uns was zu essen, alles schweigend.

„Rache, Re?“, fragt Fox. „Wie?“

„Nachher“, seufzt King, „die Bullen kommen zuerst dran.“

Irgendwie bringen wir die Zeugenaussagen hinter uns, die Jungs hängen in einem Wartezimmer rum, als ich endlich fertig bin. Kaum sehe ich sie, rinnen die Tränen, die ich die letzte Stunden mühsam zurückgehalten habe. Eine Polizistin, die mit mir mitgelaufen ist, noch mal gefragt hatte, ob ich nicht mit jemand von der Opferhilfe sprechen wollte, führt uns in ein Verhörzimmer. Sie geht, kommt mit einer Flasche Wasser, die sie vor uns auf den Tisch stellt wieder. Schweigend setzt sie sich in eine Ecke, steht nur einmal auf, um ein Päckchen Nasentücher auf den Tisch zu legen.

Irgendwann sind wir fertig und gehen in unsere Bude. Vor unsere Tür steht eine Ikeatasche mit all unseren Sachen vom Vorabend. Mit grimmigem Gesicht trägt King es in unserer Wohnung.

„Hat Hassan nicht letztes Jahr das Tattoo-Studio beim Bahnhof eröffnet?“, frage ich Fox.

Er nickt.

„Rufst du ihn an?“

„Re, was willst du von Hassan?“, fragt King verwundert. „Soll ich nicht lieber Ramon anrufen?“

„Nein. Ich brauche Hassan“, beharre ich.

Beide sehen mich verwundert an, aber Fox fischt sein Telefon aus der Tasche und ruft Hassan an.

Mit einem halben Ohr verfolge ich das Gespräch. Fox erzählt nicht viel, nur, dass uns was passiert ist, es uns soweit gut geht, ich aber unbedingt Hassan sprechen muss und wir nicht aus dem Haus wollen. Hassan verspricht zu kommen, sobald er fertig ist und wird Döner mitbringen.

Nach einer Ewigkeit wird es Dunkel, und King schaltet das Licht ein, dann sitzen wir wieder neben einander auf dem Sofa, ohne etwas zu sagen. Ich denke, glaube ich, nicht mal. Als es läutet, reagiert keiner von uns, erst als ein zweites Mal, länger, auf die Glocke gedrückt wird, steht Fox langsam, wie ein uralter Mann, auf und schlurft zur Tür.

Hassan schimpft ein bisschen, fragt, wieso er so schnell hergefahren ist, wenn wir ihm eh nicht öffnen wollen.

„Wart ihr gerade mit was Lustigem beschäftigt?“, feixt er. Fox redet leise.

„Verdammte Scheiße! Sag, dass es nicht war ist“, verlangt Hassan lauthals, um dann mit Fox zu flüstern. Mit schnellen Schritte, fast rennend, stürmt Hassan ins Wohnzimmer und fällt vor mir auf die Knie, seine Hände fliegen nach meinen, er nimmt sie fest in seine.

„Hey, Sonnengöttin“, raunt er, „was kann Hassan für dich tun, mein Mädchen?“

„Hast du Farbe, die nach ein paar Jahren verschwindet?“, will ich wissen.

„Ich nicht, Aischa hat so Zeugs in ihren Laden, was ist, willst du dir jetzt ein Tattoo zulegen? Mach ich nicht, Herzchen, nicht jetzt, auch keins, was nach ein paar Jahren verschwindet.“

„Kannst du was bei Aischa holen, ohne, dass sie davon etwas mitbekommt?“

„Könnte ich, aber wieso? Was willst du, Re?“

„Nichts für mich, oder doch, schon für mich, aber nicht an mir.“

Er sieht mich genau so entgeistert an, wie King und Fox.

„Re, hör auf den Sphinx zu machen. Was willst du?“

Das erkläre ich. Mehrmals sogar bevor sie verstehen, dass es dann für mich okay ist.

„Okay, Re“, sagt Hassan. „ Wir rufen ein paar der anderen Alten dazu. Denk dran, ihr seit die ältesten, die anderen sind alle jünger, die lassen wir draußen.“

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