Es war ein sonniger Mittwochnachmittag. Ria und Nova saßen im warmen Sand des Beachclubs am Weserufer, genossen Kaffee und Kuchen in der Sommersonne.

Die besten Freundinnen, beide fünfundzwanzig Jahre alt und Studentinnen der Literaturwissenschaften, hatten vormittags eine große Hausarbeit abgegeben und sich an diesem sonnigen Mittwochnachmittag eine Auszeit genommen. Sie waren mit ihren Longboards Richtung Hafen gerollt und chillten im Sand mit Blick aufs Wasser.

„Fast wie am Meer“, bemerkte Ria glücklich. Sie saß mit ihrer dunkelblauen, weiten Jeans im Sand, trug dazu ein grau-blaues Tanktop und darunter einen weißen Bikini, falls es zu sehr warm werden sollte. Ihre Zehen hatte sie in den weißen Sandkörnern vergraben und trank genüsslich ihren Milchkaffee.

Sie leckte sich den Milchschaum von ihren vollen Lippen und steckte sich ihre Sonnenbrille ins lange, strohblonde Haar, das sie locker zum Zopf gebunden hatte. Sie blinzelte leicht geblendet mit ihren grünen Augen in Richtung ihrer besten Freundin.

Nova, ebenfalls grüne Augen, aber dunkelbraunes Haar, mit geklammertem Seitenscheitel und hinten zusammengeknotet, genoss genauso gelassen ihren Kaffee in der Sonne. Sie trug eine lange, hellblaue Jeans und dazu ein goldgelbes T-Shirt. Ihre dunkelblaue Kapuzenjacke hatte sie ausgezogen und sich darauf gesetzt.

Auch wenn sie wie seelenverwandt waren, unterschieden sie sich doch erheblich. Die blonde Ria war sportlich, mädchenhaft, verträumt, kuschelte gern und achtete sehr auf perfekt geschminkte Augen.

Nova dagegen war ein athletischer, schlanker Typ, sehr direkt, etwas burschikos und schminkte sich nur die Wimpern. Auch wenn beide ähnlich groß, um einen Meter fünfundsechzig waren, wirkte Nova auf den ersten Blick durch ihre Statur immer ein kleines Stück größer. Dafür konnte Ria dreckiger lachen.

Aber beide waren Draufgängerinnen, niemals aufzuhalten, gingen oft hart feiern und hatten sich vergangenen Sommer an der Atlantikküste im Surfurlaub mit ihrem gemeinsamen Camper Longboards gekauft, mit denen sie häufig die Promenade an der Weser entlang fuhren, wenn sie sich mit Freunden trafen.

„Noch über fünf Wochen bis zum Urlaub. Ich könnte kotzen!“, stellte Ria fest. Die beiden studierten nicht nur zusammen, sondern teilten sich auch eine gemeinsame 2-Zimmer-Wohnung.

„Meine ist gerade von einem fetten Festival zurück und fährt nächste Woche schon wieder weg. Komplett unfair! Aber ihr Studium scheint sie trotzdem gut zu packen. Okay, Grundstudium ist auch easy“, bemerkte sie spöttisch. „Sie ist übrigens auf dem Weg hier her“, ergänzte Ria.

„Heidi? Die ist echt ständig weg! Snowboarden an Silvester und Ostern war die doch auch. Wo hat sie die ganze Kohle her?“, fragte Nova.

„Das kannst Du sie gern selbst fragen“, lachte Ria. „Dahinten kommt sie.“

Zwei Mädchen stapften durch den Sand in ihre Richtung.

Heidi, ein groß gewachsenes, dünnes Mädchen von beinahe einem Meter achtzig, langes, hellblondes Haar und blaue Augen, mit einem schwarzen Top und hautenger Skinny Jeans bekleidet, die ihre Beine noch länger erscheinen ließ, ging voran. Sie steuerte direkt auf ihre drei Jahre ältere, ebenfalls blonde Ria zu.

Einen Schritt schräg hinter ihr lief Leni, Heidis beste Freundin. Leni war die kleinste unter den vieren und mit einundzwanzig Jahren die Jüngste. Ihre sportliche Figur wurde von ihrem dunklen, schulterfreien Top und ihre schwarzen Skinny Jeans noch betont. Ihre braunen Augen mit den langen Wimpern hatte sie wegen der Sonne leicht zusammengekniffen. Das lange, mittelblonde Haar mit den hellen Strähnchen wehte im leichten Wind.

„Da sind wir!“, begrüßten die beiden Ria und Nova. Die vier gaben sich Küsschen links und rechts und die beiden Neuankömmlinge ließen sich gegenüber in den Sand fallen.

Auch wenn sie drei bis vier Jahre auseinander waren, verstanden sich die vier gut. Waren die Teenager-Jahre nicht einfach gewesen, so steckten nun alle im Studium und die einst verschiedenen Ansichten und Interessen waren sich plötzlich sehr ähnlich geworden. Bis auf kleine Sticheleien unter Schwestern.

Ria fiel sofort ein blauer Ring am Zeh ihrer jüngeren Schwester auf. „Hat Mats Dir einen neuen Zehenring geschenkt?“

„So ähnlich“, antwortete Heidi. „Wir sind gestern vom Festival aus Holland gekommen. Und fürs Dating gab’s dort diese kleinen Accessoires. Das ist ein Gummiring für den Beziehungsstatus: blau bedeutet ‚happy in love‘ und rot ‚looking for love‘. Eigentlich gehört der an den Ringfinger und andere wissen sofort, ob du angebaggert werden willst oder nicht.“

„Ich hab rot“, fiel ihr Leni ins Wort und präsentierte ihren roten Zehenring. „Hat aber nichts gebracht, nur cringy Typen getroffen, die man kaum wieder los wurde. Heidis Mats musste mich ein paar mal rausboxen.“

„Mats war auch mit? Dachte ihr seid getrennt“, ging Novas Frage an Heidi.

„Nein, nicht getrennt“, antwortete ihr die blonde Heidi. „Er macht nur ein Praktikum in Japan, für ein Jahr insgesamt. Und jetzt war er gerade wieder für zwei Wochen hier. Ist hart für unsere Beziehung, aber es geht. Sein schenkt uns deshalb dauernd Urlaube, damit es uns nicht ergeht wie ihm und Mats , die sich früh getrennt hatten weil er zeitweise in den USA arbeitete.“

„Dann ist die Idee mit den Ringen an den Zehen statt an den Fingern doch auch seine Idee gewesen, oder? Der steht doch auf Füße!“ lachte Ria über den ihrer kleinen Schwester.

„Moment, Sis‘!“, warf Heidi direkt ein. „Der steht nicht auf Füße – der steht nur auf meine Füße! Besonders auf meine Zehen! Und ich selbst mindestens genauso!“

„Von ihm hat sie doch den krassen Zehenring am großen Zeh“, ergänzte ihre Freundin Leni. „Ich find das total süß von ihm!“

Auf Heidis linkem großen Zeh steckte ein sehr markanter Boho-Ring aus Sterlingsilber. Dieser war auffällig um ihren Zeh gewickelt und reichte von der Wurzel bis zum nächsten Knochenglied.

„Den hat mir Mats zum ersten Jahrestag geschenkt“, schwärmte Heidi. „Dafür hatte er vorher ein Geheimnis darum gemacht, warum er meine große Zehe ausmessen musste. Den Ring hat er von einer Künstlerin nach einem eigenen Entwurf in Barcelona herstellen lassen.“

Stolz legte Heidi ihren linken Fuß in die Mitte und präsentierte ihren silbernen Ring, den eigentlich alle schon längst auswendig kannten, weil er so groß und auffällig war. „So einen besitzt sonst niemand!“

„Warum habt ihr denn passend zu diesem Beziehungsstatus-Ring die Nagellackfarbe gewählt?“, wollte Nova wissen.

„War Heidis Idee. Die Farben hatten wir dabei und das passte eben perfekt“, antwortete Leni. „Deshalb habe ich roten Lack und Heidi blauen.“

„Das ist eben meine kleine Schwester“, fiel ihr Ria in den Satz. Die Betonung lag auf „kleine“. „Halt immer noch ein kleines Mädchen“, stichelte sie.

„Dafür habe ich die schöneren Füße“, gab die drei Jahre jüngere Heidi zurück. „Schlanke, lange Zehen wie ein Model! Nicht so kurze Stummel wie Du!“

„Sorry?“, gab Ria zurück. „Du hast diese riesigen 40er Fundamente, Du Wolkenkratzer. Und dann sind Deine Zehen auch noch ungleichmäßig lang. Ich trage Größe 38 und meine Zehen sind auch viel schöner.“

„Das sieht Mats anders!“ antwortete Heidi. „Er liebt meine großen Füße und besonders meine langen, elastischen Zehen. Und der kennt sich aus. Von ihm weiß ich, dass ich links eine römische Zehenform habe, bei der zweiter und dritter Zeh gleich lang sind.“

Heidi nahm ihren linken Fuß nach vorne und bog mit dem Zeigefinger ihren mittleren Zeh nach oben, der sogar noch einen Millimeter länger als der zweite zu sein schien.

„Und rechts habe ich eine griechische Zehenform, bei der der zweite Zeh am längsten ist“, fuhr sie ausführlich fort.

Dabei stellte sie ihren rechten Fuß zum Vergleich daneben auf den Sand. Die großen Zehen sahen fast identisch aus, aber die beiden Zehen daneben hatten tatsächlich erhebliche Längenunterschiede. „Das hat sogar alles eine psychologische Bedeutung!“

„Ich hab ja eher Mamas Füße“, wurde sie von ihrer älteren Schwester unterbrochen. „Was hab ich denn dann für eine Fußform? Französisch? Weil Oma und Opa aus Frankreich stammen?“

Ria zog ihre Füße aus dem Sand, strich mit den Fingern die Sandkörner weg und stellte ihre beiden direkt mit den Zehen vis-a-vis zu denen ihrer Schwester. Unterschiedlicher konnten Füße nicht sein.

„Moment“, unterbrach Nova. Sie hatte ihr Smartphone in der Hand. „Hier ist eine Übersicht mit Zehenformen. Heidi hat tatsächlich zwei verschiedene Formen. Ria, Du hast ägyptische Zehen.“

Alle lachten über die bisher unbekannte Bezeichnung.

„Ich habe auch griechische“, fuhr Nova interessiert fort. „Sogar links und rechts gleich! Und Du, Leni, zeig nochmal Deine.“

Leni stellt nun ebenfalls einen Fuß in die Mitte und zeigte ihre perfekt in rot pedikürten Nägel.

„Du hast, obwohl ihr nicht verwandt seid, wie Ria eine ägyptische Zehenform“, referierte Nova weiter. „Es gibt scheinbar noch ein paar andere, aber jetzt schauen wir mal nach der Bedeutung. Das ist ja besser als jedes Horoskop!“

Nova begann ihren Vortrag als hielte sie ihn in einem Seminar: „Die ägyptischen Zehen sind eine sehr häufige Zehenform. Der große Zeh ist der größte, danach nimmt die Größe gleichmäßig ab. Menschen mit diesem Zehentyp lieben es sich verwöhnen zu lassen und sie sind harmoniebedürftig.“

„Das trifft auf mich zu!“, sagten die angesprochenen Ria und Leni gleichzeitig.

„Langweilig und nix besonderes!“, teilte Heidi in Richtung Ria aus.

„Kommen wir nun zu meinen, den Griechischen“, las Nova weiter. „Dieser Zehentyp steht für Optimisten, denen Misserfolge nichts anhaben können. Und kreatives Chaos können ihre Besitzer! Da fühle ich mich total bestätigt!“, lachte sie.

„Optimismus passt auch perfekt zu Dir, Heidi! Kommen wir aber zu Deiner zweiten Kategorie, das ist der römische Fuß: sozial, gesellig, ungern allein, abenteuerlustig und Aufmerksamkeit suchend. Ja, das passt zu Dir, Heidi, aber irgendwie auch zu Deiner Schwester. Ria, Du brauchst eine Zehen-OP, Dein mittlerer Zeh muss verlängert werden!“

Alle vier begannen über die bahnbrechenden Ergebnisse zu lachen.

„Es gibt noch den germanischen Fuß, bei dem alle Zehen fast identisch lang sind. Zum Glück hat den niemand hier, das ist schon fürchterlich hässlich. Passend steht das für Sauberkeit und Ordnung. Vielleicht wachsen meine noch im Alter nach“, lachte Nova.

„Aber hier ist noch was: wenn der große Zeh besonders weit absteht – verdammt wie bei mir – dann habe ich unerfüllte Sehnsüchte, die ich nicht auslebe!“, las Nova weiter.

„Stehen Zehen besonders eng – wie bei Dir, Ria – dann bist mehr Kopf- als Bauchmensch.“

„Das stimmt aber nicht“, mäkelte Ria. „Meine Füße sind schön und ich will keine anderen – und keine OP! Die von Heidi finde ich total aus der Form gerutscht, aber die von Leni würde ich sofort nehmen. Das ist Perfektion, die sind schon fast unwirklich schön.“

Leni vergrub ihre Zehen demonstrativ im Sand. „Ernsthaft?“, fragte sie.

„Ersthaft! Hol sie nochmal raus“, forderte Ria die etwas schüchterne Leni auf.

Leni präsentierte modelmäßig ihre Füße und spreize dabei ihre kleinen Zehen ab.

„Moment! Hier ist noch was!“, warf Nova ein. „Wenn man die Kleinen so abspreizen kann wie Du, ist man sehr abenteuerlustig!“

Alle vier testeten es sofort lachend und Nova attestierte der ganzen Runde grandios abspreizende Zehen und damit große Abenteuerlust.

„Deshalb sind wir hier, Mädels! Ich hole noch eine Runde Kaffee!“, jubelte Ria und zog mit ihren ägyptischen Zehen und einem Zwanziger in der Hand in Richtung Coffee Bar des Beach Clubs.

— Fortsetzung folgt —

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