Dies wird eine eigenständige Geschichte in drei Teilen. Es erhöht vermutlich das Lesevergnügen, wenn man auch den Vorgänger „Die Verkündigung“ kennt. Nötig ist es das aber nicht. Viel Vergnügen!

Im Café

Trübes Tageslicht fiel durch die Scheiben, vermischte sich mit dem warmen Licht altmodischer Stehlampen zu einem heimeligen Schimmer. Er hatte einen Tisch in der hinteren Ecke gewählt, an dem er sich ganz ins Gespräch mit ihr vertiefen konnte.

„Wie im Paradies. Ich weiß, das klingt albern, wenn ich es sage, aber genau so fühlt es sich an. Sie versteht mich so unglaublich gut – wir kennen uns einfach auch schon ewig. Wir haben schon im Sandkasten zusammen Mama und gespielt, ganz unschuldig. Nach der Grundschule ging sie auf eine reine Mädchenschule, dadurch verloren wir uns aus den Augen. Aber mit sechzehn, als wir alle stolz waren, endlich in die Clubs gehen zu dürfen, trafen wir uns da wieder. Es war nicht so, als hätten sich nicht genügend andere Mädchen an mich rangemacht, aber mit ihr war es einfach was Besonderes. Es war so … normal.“

Die junge Frau, die ihm in seinem Lieblingscafé gegenübersaß, lächelte. „Deine Sandkastenfreundin hat dich durchschaut. Wenn andere Mädchen es bei dem gutaussehenden sportlichen Jungen probierten, fanden sie ihn spröde und arrogant. Nur sie kapierte, dass du einfach bloß schüchtern warst.“

Er lächelte gequält. „Na ja, kann schon sein. Wahrscheinlich hast du Recht. Jedenfalls hat sie mich rumgekriegt. Wir sind zusammen, seitdem wir siebzehn sind. Eine Ewigkeit ist das jetzt her. Damals haben natürlich alle blöde Sprüche über uns gemacht. Ich gebe meinen Eltern die Schuld daran. Ich meine, Eva ist ein normaler Name. Nie besonders hip, nie wirklich out. Deshalb mache ich ihren Eltern keinen Vorwurf. Aber welcher Erzeuger, der seine fünf Sinne beieinander hat, kommt denn auf die Idee, seinen heutzutage Adam zu nennen!?“

Sie strich sich die Haare hinters Ohr zurück und nippte an ihrem Kaffee. Zwei Tische weiter wurde gerade abkassiert. Im Hintergrund lief leise Pop-Musik, gerade noch hörbar zwischen dem Klappern von Geschirr und den Unterhaltungen der Gäste.

„Ich habe dann hier studiert, so wie du jetzt. Eva hat eine Ausbildung als Modedesignerin gemacht, in Düsseldorf und Paris. Andere junge Paare hätten so eine Fernbeziehung nicht überstanden, aber wir waren einfach nur verrückt vor Sehnsucht nacheinander. Anschließend habe ich hier angefangen zu arbeiten, wir haben geheiratet, das Haus gebaut, die beiden Jungs kamen zur Welt … Eva ist jetzt Elternvertreterin in der Schule und im Kindergarten.“

„Und wie läuft es zwischen Euch? Noch heiß aufeinander?“

Sie fragte freundlich, mit einem koketten Lächeln. Als er irritiert schwieg, zog sie eine Augenbraue hoch:

„Komm schon, du schwärmst mir hier die ganze Zeit von deiner Frau vor. Und du meinst es ernst, das merkt man. Schön für dich, dass du so ein treuer bist, aber nicht wirklich höflich gegenüber deinem Date, das sich extra für dich schick gemacht hat.“

Sie schlug die Beine übereinander, gab ihm noch einmal Gelegenheit, ihr Outfit zu bewundern. Ein kurzer schwarzer Jeansrock über einer Strumpfhose im rot-gelb-schwarzen Schottenkaromuster. Sehr auffällig, aber ihre elegant geschwungenen Beine hatten die Aufmerksamkeit mehr als verdient. Obenrum ein hauteng anliegender Pullover im Rippenstrick. Hellgrau, ohne jedes Muster, brachte er ihre Figur bestens zur Geltung.

„Und was für eine Figur“, dachte Adam. „Wespentaille, flacher Bauch, und dann kommt plötzlich die Wölbung ihrer Brust, wie herausgemeißelt. Ein absoluter Knaller: Straff und voll, aber gerade eben noch niedlich.“

„Also? Geht noch was im Bett?“

Sonst irritierten ihn aufdringliche Frauen so, dass er sofort dicht machte. Klar schaute er scharfen Weibern nach und flirtete auch gern ein wenig. Es kostete ihn aber keine Kraft, es dabei zu belassen – sein innerer Kompass war auf Eva eingenordet. Wenn andere Mädels richtig rangingen, empfand er das als unangenehmes Eindringen in seine Privatsphäre und blockte ab. Die Frauen gaben schnell entnervt auf.

Aber die hier war irgendwie besonders. Sie hatte nicht einfach das übliche glatte Mädchengesicht einer Zwanzigjährigen, nein, diese absolute Reinheit wirkte bei ihr nicht jugendlich, eher zeitlos. Als würde sie immer so strahlen, egal, wie viele Falten sich im Laufe der Zeit einfinden mochten. Die glatten schwarzen Haare trug sie heute offen, bis über die Taille hinaus fielen sie ihren Rücken hinab.

„Wie gesagt, sie versteht mich perfekt. Sie weiß genau, wann ich spüren muss, wie sehr wir uns lieben. Dann ist es mit ihr wie in unserer Hochzeitsnacht. Als wenn alles, was ich mit ihr mache, ein Liebesbeweis wäre. Sie lässt mich das spüren und gibt es mir zurück. Ein Traum, wirklich. Und dann wieder, also dann versteht sie auch, wie Kerle eben sind, und dass ich … nun ja …“

„Dass du deine Männlichkeit im Bett rauslassen musst.“

„Genau, und sie macht toll mit, sie gibt mir das Gefühl“, er wurde rot, aber jetzt hatte er den Satz angefangen, jetzt brachte er ihn auch zu Ende, „ein richtig starker Mann zu sein.“

Sein Gegenüber schmunzelte verständnisvoll.

„Wenn ich traurig bin, kuschelt sie sich in meine Arme, ich spüre ihr Herz schlagen, und alles ist halb so schlimm. Wenn ich gestresst bin, geht sie an mir runter und entspannt mich. Und wenn ich sehr gestresst bin, …“ Diesmal wurde er noch roter, ließ das Satzende in der Luft hängen.

Die junge Frau sprach es für ihn aus: „Dann weiß sie, dass Anblasen alleine nicht reicht, dass sie es bis zum Ende durchziehen muss.“

„Genau.“ Seine Ohren brannten. Warum erzählte er ihr das alles?

Sie seufzte. Stütze die Ellenbogen auf den Tisch, hielt ihren Cappuccino in beiden Händen und sah ihn über den Milchschaum hinweg an. „Du liebst sie wirklich. Schön zu sehen, es strahlt förmlich aus dir heraus. Und trotzdem, lieber Adam“, sie zog die Schultern zurück und drückte die Brust raus, „starrst du mir die ganze Zeit auf die Titten.“

Es war ihm sowas von peinlich. Weil sie recht hatte und weil sie es so drastisch formulierte. Er musste an das letzte Wochenende denken, ans Scheunentor…

Erster Besuch im Scheunentor

Die Kneipe kannte er schon, die war ja öffentlich. Aber zum Hausfest kam man als Besucher auch in die übrigen Räume, zumindest in die Gemeinschaftsräume. Das würde ihm einen deutlich besseren Überblick geben.

Als er sich reindrängelte, war die Party schon voll im Gange. Früh dran, diese Hausbesetzer. Samstags ging es sonst überall erst ab Mitternacht richtig rund, aber im Gemeinschaftssaal des Scheunentors war schon kurz nach neun mächtig was los. Die abgewetzten Sofas und siffigen Matratzen waren voll besetzt, auf dem Estrich dazwischen bewegten sich schon einige zur harten Rockmusik, die ein glatzköpfiger DJ mit bloßem Oberkörper auflegte. Alle sahen irgendwie nach Punk oder Penner aus, bis auf ein eingestreute Müslihippies und Emogirls.

Mit einer Flasche Bier in der Hand spazierte Adam um die Tanzfläche herum, ließ die Blicke schweifen. Er kam „aus Versehen“ an den Lichtschalter für die Deckenbeleuchtung, ließ es mal richtig hell werden. Aha. Sieh an.

„Ey, du Wichser, pass doch auf“, blaffte ihn ein junges Mädchen an und schaltete das Licht wieder aus, „gib mir mal lieber was zu trinken!“

Wie die meisten hier trug sie schwarz von Kopf bis Fuß. Das Sweatshirt war am Hals extra so weit geschnitten, dass es ihr von einer Schulter rutschte. Es sah aus, als hinge das Shirt nur so gerade eben an ihren steilen Pyramidenbrüsten. Unglaubliche Teile, spitz abstehend wie Kamelhöcker.

Adam unterdrückte seinen Reflex, sie mit fünf Euro für die Theke schnell los zu werden. Nicht auffallen, dazugehören, war heute die Devise. Außerdem wollte er dieses Sweatshirt schon noch im Blick behalten. Vielleicht rutschte es ja doch noch runter? Er gab ihr seine Flasche Bier. Freudig überrascht fragte sie ihn, was er eigentlich hier mache. Adam erzählte irgendwas über einen Gig für eine Berliner Band, den er hier organisieren wollte. War Blödsinn, klang aber lässig.

Die Story schien sie zu beeindrucken. Noch mehr gefiel ihr, dass er zwei neue Bier holte, mit denen sie sich dann beide zu einem anderen Paar auf eine Matratze quetschten. Er war sicher, dass sie ihn nur als Geldquelle fürs Bier wollte, und er wollte auch bestimmt nichts von ihr. Bloß gucken. Auf ihr Sweatshirt und in die Umgebung. Er stellte eine mentale Liste der Auffälligkeiten zusammen. Wenigstens die wichtigsten, alles konnte er sich gar nicht merken.

Der DJ fuhr jetzt ein anderes Programm, mehr so Elektromucke. Das Mädel mit den Kamelhöckern war davon nicht angetan. Sie grölte ihren Protest gegen die „beschissene Kommerz-Lala“ in Richtung DJ, unterstützt von weitausholenden Gesten.

Im Eifer des Gefechts spritzte und kippte sie ihr Bier über Adam aus. Er musste ihr regelrecht das Handgelenk verdrehen, damit sie die Flasche wieder aufrecht hielt. Wenigstens guckte sie dann mal nach, was sie angerichtet hatte. Lachte sich schlapp und wischte ihm den Gerstensaft von den Klamotten. Als wenn das Bier nicht längst von seinem Pulli aufgesogen worden wäre.

Als sie über seine Jeans wischte, auch durch den Schritt, wurde es ihm peinlich. Sie merkte es sofort und machte sich einen Spaß daraus, ihn dort besonders sorgfältig abzureiben.

„Ey Alter, du hast mein Bier in deiner Hose, findste das korrekt? Lass mich das wenigstens ablecken, du perverser Bierdieb.“

Sie beugte sich zu ihm runter und machte tatsächlich den Hosenknopf auf, bevor er auch nur reagieren konnte.

„Komm, hör auf.“

„Was willste denn mit dem Bier da unten, hm? Willste’s mit deinem Schwanz einsaugen? Biste’n Schwanzsäufer, oder was? Komm, lass mich mal alles absaugen da.“

„Ich würd das lassen.“ Adam blickte auf. Da stand ein anderes junges Ding vor ihm. Schwarze Jeans mit riesiger Gürtelschnalle, Judas Priest T-Shirt, fette Kopfhörer. Offenbar sammelte sie die leeren Flaschen ein, ihre Arme waren schon voll davon. „Hilf mir mal lieber.“

Kamelhöcker hin oder her, von der Schnalle neben sich hatte er genug. Er schob sie weg, stand auf, fand sich direkt vor der Flaschensammlerin wieder. „Sad Wings of Destiny“ stand auf ihrem T-Shirt, und ein seltsam verkrümmter Engel blickte nach unten. Auf seinen offenen Hosenknopf. Adam brachte das sofort in Ordnung, dann nahm er dem Mädel die leeren Flaschen ab und trottete hinter ihr her.

„Schlau von dir“, belehrte sie ihn, während sie sich neues Pfandglas auflud. „Ich weiß nicht, welche Geschlechtskrankheit gerade hip ist, aber Poppsi hat sie bestimmt und verteilt sie großzügig.“

„Jetzt übertreib mal nicht.“

„Glaub’s mir oder lass es bleiben. Aber ich sage dir, sie hat sich ihren Spitznamen hart erarbeitet. Durch ihre Fotze sind schon mehr Schwänze gegangen als Muslime nach Mekka.“

Mit vollen Armen drängelten sie sich mühsam zu einer Art Küchenarbeitsplatte im hinteren Bereich des Gemeinschaftssaales durch. Die Flaschen kamen in Kisten, dann gab sie ihm einen Spüllappen und ein Küchentuch.

„Damit kannste dich abwischen. Was machste überhaupt hier?“

Adam zuckte die Schultern. „Abhängen, wie alle, wieso?“

„Weil du aufs Hausbesetzerfest passt wie ne brasilianische Sambatänzerin ins Hochamt.“

„Spinnst du? Was passt dir denn an mir nicht?“

Sie seufzte. „Du hast echt gedacht, du hättest dir was Passendes angezogen, hm? Damit du nicht so auffällst. Aber deine Jeans hast du schon löchrig gekauft, das sieht man. Die anderen hier haben Löcher in der Hose, weil sie ihre Jeans seit fünf Jahren am Arsch haben und sie nur zum kacken und zum ficken runterziehen. Und deine Jacke“, sie legte ihre Hand auf seinen Arm, „riecht trotz des verschütteten Biers noch nach Leder und nicht bloß nach Siff, Schweiß und Kettenfett. Und sie fühlt sich neu an.“

Adam war verunsichert.

„Das is’n Möchtegern-Proll-Outfit, was du das anhast. Also, was willste wirklich hier?“

Sie sahen sich in die Augen. Er sah eine Klarheit und Ruhe, die überhaupt nicht in diese stinkende Umgebung passte, auch nicht zu ihrem obercoolen Gerede. Und er war sicher, dass sie auch etwas in ihm sah. Wie zwei Edelsteine in einem Bachbett voller Kiesel, die sich erkennen, wenn die Strömung sie zufällig zueinander spült. Er beschloss, sie auf seine Seite zu ziehen.

„Okay, du hast mich ertappt. Ich bin hier, um mir euren Schuppen mit eigenen Augen anzusehen. Ich mache mir ehrlich gesagt Sorgen, dass euch bald das Dach auf den Kopf fällt.“

Sie zuckte die Schultern. „Das Scheunentor ist ein verdammtes Drecksloch. Aber was geht dich das an? Du wohnst doch bestimmt in nem schmucken Reihenhaus mit Geranien am Balkon.“

„Ich bin Statiker, ich arbeite für das Stadtplanungsamt.“

„Du willst uns hier rausschmeißen?“ Sie blickte sich um, als suche sie Verstärkung, um ihn sofort vor die Tür zu setzen.

„Ich will bloß verstehen, was man tun kann, damit es kein Unglück gibt. Sei nicht gleich so angepisst.“

„Sorry, aber es gibt einfach zu viele wohlanständige Bürger in dieser Stadt, die uns loswerden wollen. Wir reagieren da ein wenig allergisch.“

„Und wenn euch wirklich das Dach auf den Kopf fällt?“

„Was geht’s dich an?“

„Ne Menge. Indirekt halt. Einerseits Berufsehre: Wenn ich in der Zeitung lese, dass du beim Einsturz ums Leben gekommenen bist, will ich wenigstens wissen, dass ich mein Möglichstes getan habe.“

„Ich heul gleich vor Rührung.“

„Anderseits versaut mir sowas dann auch das Geschäft. Es wird ne Riesenaufregung geben, warum die Stadt nicht durchgegriffen hat. Das letzte besetzte Haus hätte man ja wohl auch noch räumen können. Danach wird dann alles Mögliche noch mal geprüft werden, zur Sicherheit. Wenn das Kind reingefallen ist, schüttet man den Brunnen bekanntlich zu – und das wäre ne Scheißarbeit. Auf den Ärger verzichte ich dankend.“

„Hm.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Adam konnte seinen Blick nicht abwenden, so heiß sah sie aus: Die Hose hing schnack an ihren Hüften, das enge T-Shirt klebte an ihr. Und zwar an einem Oberkörper, der superflach und schmal war bis unter den Busen. Der wiederum zwar nicht wirklich groß, aber richtig knackig voll war. Eine affenscharfe Wölbung, an die nach unten ein flaches Brett anschloss. Auf dem jetzt die verschränkten Arme hingen.

„Wäre schon gut, wenn hier mal was passieren würde“, gab sie zu, „das will bloß nie einer hören. Ausbesserungen kosten Geld, da ham gleich alle Angst, sie müssten das zahlen. Dann kommt der übliche Reflex: Das ist nur’n Scheißtrick von nem Scheißinvestor, der uns hier rauskaufen will. Da fallen wir nicht drauf rein. Immer das gleiche bekackte Gerede.“

Sie guckte genervt. Adam wusste, dass er sie richtig eingeschätzt hatte. Mit ihr zusammen könnte er vorankommen. „Siehst du die Säule da vorn?“, fragte er, „mitten im Raum? Sieh dir mal die Decke drumrum an. Voller Risse.“

„Ist halt `n Altbau. Da sind immer Risse im Putz.“

„Das ist nicht nur im Putz. An einer Stelle guckt Stroh raus. Das ist der Unterboden vom Stockwerk drüber! Das ist echt gefährlich!“

Sie sah ihm noch mal lange in die Augen. Seine Nackenhaare stellten sich auf. Was hatte es bloß auf sich mit diesem Mädchen? Warum ging ihr Blick durch und durch bis in seine Seele? Ging es ihr genauso?

„Du machst dir wirklich Sorgen um uns.“ Sie nickte anerkennend, stockte dann aber plötzlich, als horche sie in sich hinein. „Ich muss weg“, sie tippte mit dem Finger gegen ihren Kopfhörer. „Babyphone. Der Kleine schreit.“

Adam schluckte. Nicht jetzt, nicht so. Sie musste ihm noch weiterhelfen. „Kann ich nicht mitkommen?“ Sie war überrascht. „Wozu?“ Er log. „Ich würde mir gern auch noch ein paar andere Räume anschauen. Ob’s noch mehr solche Gefahrenpunkte gibt.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Na, dann schau dir an, ob mein Zimmer stabil aussieht. Nicht dass du noch in der Zeitung von einer toten mit Säugling lesen musst.“

Sie gingen in den anderen Teil des Scheunentors, wo die Zimmer und WGs lagen. Adam schüttelte angesichts der Bausubstanz den Kopf, aber akut kritisch sah es für ihn nicht aus. Die Besetzer hatten mit einfachen Mitteln aus der großen Lagerhalle einen Gang und Zimmer abgetrennt. Die Wände im Gang waren mit bunten Landschaften wie aus einem LSD-Trip bemalt, aber die Farbe blätterte bereits ab. Der Flur war überraschend ruhig, von der Musik war nur ein leichtes Basswummern zu hören. Dafür schrie plötzlich ein Baby.

„Ich komm ja schon“, murmelte sie, beschleunigte ihre Schritte und schloss die Tür zu einem geräumigen Zimmer auf. Es roch nach Windeln und Babypuder. Er blickte sich um. Regale, eine Matratze, Kleider- und Bücherstapel, Rasseln und Schnuffeltiere. Ein uralter Ghettoblaster, obskure Gothic-Poster an den Wänden. Ein Wickeltisch und ein Kinderbett, über das sie sich jetzt beugte. Mit einem kleinen Bündel auf dem Arm kam sie wieder hoch.

„Na, was ist denn, hm? Ist ja alles gut, Mami ist ja da. Jaa, ganz ruhig, alles ist gut, mein Süßer.“

Adam blieb in der Tür stehen und sah ihr zu, wie sie mit dem Kind auf und ab ging. So viel zärtliche Mütterlichkeit in dieser Umgebung zu finden, hatte was Rührendes.

„Wie alt ist er?“ „Acht Monate und eine Woche.“ „Und wie heißt er?“ „David Gabriel.“ „Äh – hübscher Name. „

Sie lächelte. „Du findest den Namen komisch. Ist schon okay. Sein hieß Gabriel. Und David heißt er, weil ich irgendwie die Hoffnung habe, er könnte sowas wie ein Nachfahre von König David sein. Klingt bescheuert, was?“

„Gar nicht.“

„Na, Hauptsache, er ist ein ganz normales Kind.“ Sie rieb ihre Nase am winzigen Näschen, das aus dem Bündel hervorschaute. Adam wunderte sich, dass ihr ein normales Kind reichte. Die meisten Mütter hielten ihre Kinder für was ganz Besonderes.

„Warum erzähle ich dir das eigentlich?“

Adam war nicht klar, ob sie jetzt ihn gefragt hatte oder sich selbst. Sie standen sich in dem dunklen Raum gegenüber. Das Baby jammerte leise, sonst war es still. Eine Szene, wie aus der Zeit gefallen.

„Schau mal, David, das ist …“ Fragend hochgezogene Augenbrauen.

„Adam.“

„… das ist Adam, er passt auf, dass es keinen Rumms gibt, bei dem uns die Decke auf den Kopf fällt, hm?“

Der Singsang, in dem sie beruhigend auf das Baby einredete, erinnerte ihn an Eva. Damals, als die Jungs noch so klein waren. Die Erinnerung an die vergangene Zeit machte ihn traurig.

„Du bist hungrig, was?“ Ihre Frage richtete sich an das Baby. Sie ging rüber zur Matratze, setze sich hin und legte das Kind vorsichtig auf ihren Schoß. Ihre Hände fassten durch das T-Shirt den unteren Rand des BHs. Mit einem Ruck zog sie ihn hoch über ihre Brüste.

Dann hob sie David an ihre Brust, zog das T-Shirt auf der einen Seite hoch, so dass ihre eine Brust entblößt sein musste. Adam versuchte einen Blick darauf zu erhaschen, aber David verdeckte sie. Offenbar hatte der Kleine sofort zu nuckeln begonnen. Adam erinnerte der Anblick an eine Ikone, Mutter mit Kind, ein Bild der Liebe, das über alle Zeiten hinweg Bestand hatte.

„Du bist ein guter Mensch, Adam“, sagte sie ihm leise zu, „und du bist ein besonderer Mensch. Wir beide sind besondere Menschen. Spürst du es auch?“

Er nickte, obwohl es so dunkel war, dass sie seine Bewegung kaum sehen konnte.

„Komm her.“

Er ging zu ihr rüber, setzte sich neben sie auf die Matratze.

„Für dich.“ Sie zog ihr T-Shirt ganz hoch, entblößte auch die andere Brust.

Adam staunte nicht schlecht. Was tat sie da? Aber er wurde wie magisch angezogen. Seine Finger streichelten ihre fest abstehende und doch weiche Brust. Berührten vorsichtig die empfindlichen Nippel. Es machte ihn eigentlich nicht geil, er fand es einfach nur schön. Unendlich friedlich und schön. Adam ließ sich gegen sie sinken, küsste ihre bebenden Nippel und saugte. Er war ungeübt, aber trotzdem floss ein wenig Milch in seinen Mund.

Später wunderte er sich, was das für ein Bild gewesen sein musste. Eine Frau, die zwei männliche Wesen säugte, ein Baby und einen Kerl, der bestimmt acht, neun Jahre älter war als sie selber. Aber in dem Moment war es einfach wunderbar. Ihre Wärme, die Stille, das leise schnaufende Baby.

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